Amore siciliano
Rolle spielte. Wir waren mit den Leitern eines Lebensmittelexporthändlers und einer Lebensmittelfabrik verabredet, außerdem wollten wir Studenten der Università di Messina befragen, um einen Eindruck vom ökologischen Bewusstsein der jungen Sizilianer zu bekommen.
Der Drehtag verlief großartig, besonders der Blick in die Lebensmittelfabrik lohnte sich. Was für ein Logistik- und Kontrollapparat in Deutschland in solchen Unternehmen steckte, wusste ich noch aus meiner Schulzeit, in der wir einen Bildungsausflug zu einem Lebensmittelfabrikanten in der Nähe von Berlin gemacht hatten. Damals war ich mächtig beeindruckt von den unzähligen Kontrollfunktionen für Warenein- und -ausgang, dem perfekt organisierten Lager und der computergesteuerten Lebensmittelverarbeitung. Doch hier in Italien sah Lagerwirtschaft – vorsichtig formuliert – etwas weniger professionell aus. Es mochte an der Größe des Betriebes liegen,aber die zwei überforderten Lagerarbeiter stellten die angenommene Ware wahllos durcheinander ins Lager.
Wie man in diesem Chaos etwas wiederfinden sollte oder im Falle einer positiv getesteten Kontrollprobe herausfinden sollte, aus welcher Lieferung das jeweilige Produkt stammte, war mir ein absolutes Rätsel.
Dieter war begeistert. »Endlich können wir mal was kritisch in Frage stellen, det wird dem Film zugutekommen«, war er überzeugt. »Chaos statt Biokontrollapparat! Det bringt endlich mal ’n bisschen Zunder. Und habt ihr die Fließbänder gesehen, die das gewaschene Gemüse zur Verarbeitung befördern? Keinerlei Abdeckung, da kann jederzeit eine Maus hinterherspringen oder einer wat untermischen! Det würde et in Deutschland nich geben!«
Ich hatte das Bedürfnis, die Italiener in Schutz zu nehmen. »Jetzt siehst du aber Gefahren, wo keine sind«, widersprach ich. »Wer soll denn da was untermischen und warum? Und offene Transportbänder sind auch in deutschen Fabriken keine Seltenheit, vor allem da, wo Gemüse und Obst nach der Wäsche noch mal handverlesen werden.«
»Na, überlass det mal mir, Mädel«, meinte Dieter. »Immerhin verkauft der det Zeug als Biogemüse, da muss er schon wissen, was woher kommt und was wohin geht.«
Ich fand, dass er es mit seinem Wunsch nach Brisanz maßlos übertrieb. Hier am Rande von Messina konnte man eher weniger auf die strikte Umsetzung der EU-Richtlinien und regelmäßige Kontrollgänge setzen, sondern musste auf die Ehrlichkeit der Lieferanten, also der Biobauern, vertrauen. Und die wiederum waren so ökologischeingestellt, dass man das auch guten Gewissens tun konnte. Denn die Biolandwirtschaft war nicht ein von außen aufgesetztes Regelwerk, sondern eine familiär gewachsene Tradition.
Dabei fiel mir wieder ein, dass wir ja Kontakt zu der Kontrollbehörde aufnehmen wollten. Heute Morgen war noch keine Antwort im Maileingang gewesen, und als ich versucht hatte, Eleonora Montagna zu erreichen, war nur eine Bandansage zu hören. Mittlerweile war es jedoch spät genug, so dass die Behörde sicher besetzt war. Ich zog Malte hinter mir her aus der Fabrik und wählte die im Handy gespeicherte Nummer. Dann reichte ich ihm den Hörer, aber er wehrte ab: »Die sprechen bestimmt kein Englisch.«
Er behielt recht, denn wieder erreichte ich nur den Anrufbeantworter: »Riprovate più tardi, bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.«
Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. »Mittagspause«, seufzte ich. »Versuchen wir es später noch einmal.«
Wir gingen zurück zu den anderen, die bereits die Ausrüstung eingepackt hatten. Dieter, der sich in dem Verdacht bestätigt sah, dass Italien strengere Kontrollen im Bioanbau benötigte, freute sich immer noch diebisch über die Abgründe, die er entdeckt zu haben glaubte. Er witterte die Möglichkeit, auch eine dunkle Seite Siziliens dokumentieren zu können. Immerhin übertrug sich seine gute Laune auf Malte und die anderen im Team, und so wurde der Drehtag ein voller Erfolg. Zufrieden kehrten wir gegen Abend zu der kleinen Gelateria zurück, in derwir vor einer Woche schon einmal Espresso getrunken hatten.
Kaum hatten Malte und Jakob die beiden Busse in die Parklücken direkt vor dem Laden gesetzt, da erklärte uns ein Polizist, dass wir die Autos um diese Uhrzeit nicht mehr hier abstellen dürften, weil Parken hier nur tagsüber erlaubt wäre.
»Mi dispiace, tut mir leid, aber andernfalls muss ich ein Verwarngeld von Ihnen kassieren«, sagte er, und das wollten wir natürlich
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