Amore siciliano
nicht. Malte und Jakob gingen los, um die Fahrzeuge umzuparken, und der Polizist beschrieb ihnen netterweise in gebrochenem Englisch den Weg zu einem nahe gelegenen Parkplatz. Wir anderen betraten die Gelateria und bestellten für Malte und Jakob eine Ladung Eis mit. Die abergläubische Eisverkäuferin schaute mich misstrauisch an, als ich mich setzte, sagte jedoch nichts. Wahrscheinlich, weil ich diesmal keinen Schirm dabeihatte und sie und ihre Familie somit außer Lebensgefahr waren. Mein Blick fiel durch das Fenster auf das Amtsgebäude schräg gegenüber, und wieder fragte ich mich, was Paolo dort wohl gewollt und worüber er mit den Leuten gestritten hatte.
»Ach, hier ganz in der Nähe hab ich im Vorbeifahren so ein niedliches Keksgeschäft gesehen – ich geh es mal eben suchen, es dauert ja sicher noch einen Moment, bis das Eis kommt«, meldete ich mich kurz entschlossen bei den anderen ab. »Bin gleich wieder da«, rief ich ihnen noch zu, dann war ich auch schon raus aus dem Laden und auf der anderen Straßenseite. Die Gelegenheit war günstig, Malte war noch nicht vom Parkplatz zurück,und so würde ich niemandem erklären müssen, warum ich nun schnurstracks auf das Amtsgebäude zusteuerte, um gespannt das Schild am Eingang zu lesen: »Ufficio Notarile per le procedure esecutive immobiliari e mobiliari«.
Ufficio – das hieß, soweit ich wusste, »Amt«. Der erste Eindruck hatte mich also nicht getäuscht, dies war ein öffentliches Gebäude. »Ufficio tecnico comunale« stand in kleineren Buchstaben darunter und: »addetto alla costruzione/espropriazione area fabbricabile«.
Ich notierte mir die Wörter, die ich nicht verstand, auf einem Bon und steckte ihn in meinen Geldbeutel, dann überquerte ich die kreuzende Straße und suchte nach einem Geschäft, in dem ich meine Alibikekse kaufen konnte. Mit einer Packung Settembrini kehrte ich zu den anderen zurück. Malte und Jakob waren inzwischen zurückgekehrt, und mein Freund fragte sogleich, wo ich gewesen sei.
»Kekse kaufen«, antwortete ich und hielt den Beweis in die Höhe.
Sofort kam die Eisverkäuferin angelaufen: »Sie haben doch nicht vor, die hier zu essen? Hier darf nur gegessen werden, was auch hier bestellt wurde«, meinte sie mit Nachdruck. Zum Beweis meiner guten Erziehung ließ ich die Kekse in meiner Tasche verschwinden, stippte meinen Löffel in die vor mir stehende Schale und lutschte mit einem »Mmmmhhhh« das leckere Eis.
»Etwas verspannt heute, die Leute hier«, sagte Ole. »Erst der Polizist und jetzt die Eisfrau.«
»Ich hab mir die Italiener auch lockerer vorgestellt«,pflichtete Malte ihm bei und probierte mein gelato all’amaretto.
»Da ist ordentlich Mandellikör drin«, erklärte ich, als er das Gesicht verzog. »Mir schmeckt’s.«
»Du bist ja auch ’ne Schnapsnase«, behauptete er und kniff mir grinsend in selbige.
»Lass das!« Ich rieb mir die Nase. Aber ich wertete seinen Übermut als gutes Zeichen. Vielleicht konnte er nun endlich anfangen, die Tage hier zu genießen, nachdem er so lange schlechte Laune gehabt hatte.
Wie das so ist: Wenn man gerade das Gefühl hat, dass es aufwärtsgeht, geschieht bekanntlich etwas Unerwartetes. In diesem Fall betraf es unseren Bus mit der Filmausrüstung. Als wir nämlich die Gelateria verließen, um drei Straßen weiter den von dem Polizisten empfohlenen Parkplatz aufzusuchen, war einer der beiden Busse weg. Verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Mitsamt unserem Equipment.
»Meint ihr, dass er abgeschleppt wurde?«, fragte Paula mit einem letzten Funken Hoffnung.
»Ich glaube kaum«, antwortete Malte leise und wurde blass um die Nase, als er auf ein paar münzgroße Glasscherben zeigte, die am Boden lagen, genau an der Stelle, wo er den Bus abgestellt hatte.
»Der ist wohl gestohlen«, stellte Ole fest, und Malte wurde noch ein bisschen blasser.
»Det gibt’s doch nicht, so ’ne Schweinerei!«, brüllte Dieter. »Die ganze Ausrüstung, das Filmmaterial – alles futsch! Det darf doch nicht wahr sein!«
Der zweite Bus, den Jakob genau neben dem anderenabgestellt hatte, war das einzige Auto weit und breit auf dem Parkplatz. Er stand unversehrt genau an der Stelle, wo Jakob ihn geparkt hatte. Dumm nur, dass der größte Teil des Equipments sowie das gesamte Filmmaterial des Messina-Tages ausgerechnet in dem Bus untergebracht waren, den Malte geparkt hatte und der nun ganz offensichtlich gestohlen worden war. Natürlich war das nicht Maltes Schuld, immerhin war
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