Amore siciliano
Settembrini hinein, als Paula mit der Hiobsbotschaft kam: Der Bus mitsamt der Ausrüstung und den Aufnahmen aus Messina blieb verschwunden. Offenbar war der Wagen gestohlen und sehr gut versteckt oder sogar schon aufs Festland gebracht worden. Die Polizei habe die Suche bereits Richtung Stiefelspitze und auf den Hafen von Messina ausgeweitet, aber wir sollten uns mit dem Gedanken abfinden, dass das Filmmaterial verschwunden bliebe, berichtete sie. Das war ein herber Rückschlag. Kameras und Mikros und der ganze technische Kram waren ersetzbar, klar, die Neuanschaffung sprengte unser Budget, aber für so etwas war man schließlich versichert. Doch die Filmaufnahmen aus Messina und von der Olivenmühle – aus meiner Sicht die bisher interessantesten, die wir gemacht hatten, und das sah ja auch Dieter so – waren futsch. Wir hatten in diesen Tagen so viel gearbeitet, und nun war alles verloren.
Ich konnte mir vorstellen, welche Laune Dieter hatte. Und da Malte den Wagen abgestellt hatte, konnte ich mir auch vorstellen, dass er für Dieter der Sündenbock bliebe.Womit ich nicht rechnen konnte, war, dass Malte seinen Frust an mir auslassen würde. War aber so.
»Nur weil du noch mal in dieses Eiscafé wolltest, stehen wir jetzt ohne Ausrüstung da«, fluchte er plötzlich los, als er zum Frühstück kam. Ich hatte mit einem in sich gekehrten Malte gerechnet, den ich mit ein paar Streicheleinheiten aufzumuntern gedachte. Stattdessen war er total geladen und mein Anblick ließ ihn explodieren. »Ich hätte niemals dort geparkt, wir anderen wollten ja eigentlich gar nicht mehr in die Stadt rein. Nur deinetwegen sitz ich jetzt in der Patsche!«
»Äh, Moment mal, das sollten wir in Ruhe besprechen, ich kann doch nichts dafür, dass wir – alle zusammen – auf einen uniformierten Trickbetrüger reinfallen. Das glaubst du doch jetzt nicht wirklich?«
»Wer wollte denn unbedingt noch mal in die Stadt – den Tag ausklingen lassen! Schöner Ausklang! Immer muss es noch irgendwo was zu trinken für dich geben, einen Kaffee hier, ein Glas Wein da. Das hab ich jetzt von deiner ewigen Genusssucht!« Jetzt brüllte er sogar regelrecht. »Dieses blöde Land steckt doch voller Verbrecher! Und wegen deiner tollen Idee hat Dieter mich nun erst recht gefressen. Das habe ich dir zu verdanken!«
Ich war schockiert. So laut war Malte mir gegenüber noch nie geworden, schon gar nicht vor anderen. Und dabei hatte ich schon einiges verbockt – die zehn verbrannten Tofusteaks aus der Biofeinkostabteilung für 8,50 Euro das Stück, als seine Eltern uns im Herbst besuchten, oder der verkorkste Tag im Safari-Park, als ich die »Free the lions«-Plakate im Büro der Bürgerbewegung hatte liegenlassen, weshalb wir unsere Demo ohne Schilder abhalten mussten – wodurch sie im strömenden Regen praktisch unsichtbar wurde und nur von einer siebenköpfigen Familie aus Mettmann und der betrunkenen Gruppe eines Junggesellenabschieds zur Kenntnis genommen wurde. Malte war vielleicht ein bisschen genervt von mir gewesen, hatte das auch mal gezeigt oder mich seine kleine Chaotin genannt, aber niemals war er laut oder gar aggressiv geworden.
Heute jedoch tobte er geradezu – und das ohne Grund. Den Schuh zog ich mir nicht an. Dieser angebliche Polizist und der dubiose Parkplatz – er und Jakob hätten das doch genauso durchschauen müssen! Das hatte doch mit der Gelateria nichts zu tun. Ich fühlte mich extrem ungerecht behandelt.
Normalerweise kamen mir in so einem Moment eher die Tränen, aber Maltes Vorwürfe waren so abstrus, dass ich nun meinerseits wütend wurde: »Jetzt komm mal wieder runter! Das hier ist nicht nur für deine berufliche Zukunft von Entscheidung, wir hängen alle in dem Projekt. Dass die Ausrüstung weg ist, schadet uns allen, und das Filmmaterial war das Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit. Du kannst mich hier nicht als Buhmann für deine Fehler hinstellen! Ein Auto zu parken und abzuschließen ist immer noch Aufgabe des Fahrers, und es hat dich ja niemand gezwungen, auf den falschen Polizisten zu hören!«
Nun waren drei ungläubig dreinblickende Augenpaare gespannt auf Malte gerichtet, der nach Luft schnappte. So viel Gegenwehr war er von mir nicht gewohnt.
Ole, Paula und Jakob starrten zu ihm und machten sich auf eine weitere Brüllattacke gefasst, doch genau in diesem Moment kam Nonna Margherita in den Frühstücksraum und brachte frischen Kaffee. »Che succede, was ist denn hier los?«, fragte sie. »Warum so ein
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