Amore siciliano
kennen. Du hast doch Zeit, oder? Ich habe gehört, ihr müsst pausieren mit euren Dreharbeiten, weil die Ausrüstung weg ist.«
»Woher weißt du das denn schon, es ist doch gestern Abend erst passiert?«, fragte ich, aber im selben Moment fiel mir die Antwort ein: Sicher hatte Giuseppe am Tresen gesessen, als Dieter und Malte vom Polizeirevier zurückkamen.
»Ist eben ein kleiner Ort«, meinte Paolo schulterzuckend, dann gingen er und Enzo davon, und ich stand da mit einer recht seltsamen, aber durchaus nicht uninteressanten Einladung. Wie aber sollte ich bloß Malte erklären, dass ich den Rest des Tages bei Paolo zu verbringen gedachte? Na ja, vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass wir gerade nicht miteinander sprachen, so müsste ich mich wenigstens nicht rechtfertigen, dachte ich, während ich über die Felsen hinunter Richtung Strand kletterte.
Kapitel 10: LA CUCINA D’ AMORE
Rau, felsig und wild wirkte die Steilküste, und himmlisch blau schimmerte das Meer. Die Luft roch nach Zitronenbäumen – zumindest bildete ich mir ein, dass dieser herrliche Geruch von ihnen stammen musste –, und ein warmer Frühlingswind fuhr durch mein Haar, als ich auf Simonas Fahrrad den Weg zum Hof von Paolo di Gioia antrat. Die Straße hinauf geriet ich ins Schwitzen, so steil war es mir zu Fuß gar nicht vorgekommen. Aber das konnte mich nicht von meinem nicht näher definierten Arbeitseinsatz auf Paolos Hof abhalten.
Niemand wusste, wo ich den Nachmittag und vielleicht sogar Abend verbringen würde. Malte war mit Jakob auf dem Weg nach Messina, um noch einmal die nähere Umgebung des Parkplatzes nach Spuren abzusuchen. Sie hatten die Hoffnung, dass die Verbrecher vielleicht Teile der Ausrüstung, mit denen sie nichts anfangen konnten, weggeworfen haben könnten, zum Beispiel die Bänder oder den Koffer mit den Sicherheitskopien.
»Wartet nicht auf uns«, hatte Malte verkündet, als die beiden sich gegen Mittag auf den Weg machten, und so nutzten Paula und Ole die Gelegenheit, mit Simona einen kurzen Reitausflug zu unternehmen. Ich bevorzugte heuteden Drahtesel und behauptete, ein wenig zum stabilimento balneare, dem Strandbad, hinunter zu wollen, um mich von dem Ärger mit Malte zu erholen. Das glaubten mir die anderen auf Anhieb.
Warum ich ihnen meinen Besuch bei Paolo verheimlichte, wusste ich selbst nicht genau. Gut, Malte wäre es sicher nicht recht, er war nun einmal etwas eifersüchtig. Vermutlich hätten die anderen es sowieso für sich behalten und ihm nicht erzählt, doch vielleicht hätten sie auch mitkommen wollen, um sich seinen Hof ebenfalls anzusehen, und das wäre Paolo sicher nicht recht gewesen – und mir eigentlich auch nicht. Ich war ja schon froh, dass er mich duldete. Lag sicher an Enzo, der Hund hatte ein todsicheres Gespür für nette Menschen.
Enzo war auch der Erste, der meine Ankunft auf dem Hof bemerkte und mich feuchtfröhlich begrüßte. Ich wischte meine Hand im hohen Gras vor dem Tor ab und ging ums Haus herum. Keine Spur von Paolo. Sein Wagen stand in der Auffahrt, und vor dem Tor parkte ein silberner Maserati. Er hatte offenbar Besuch. Und nicht gerade von armen Leuten, wenn man sich das Auto so ansah.
Ich klingelte und betätigte den großen schweren Türklopfer, doch es rührte sich nichts.
»Na, wo ist dein Herrchen?«, fragte ich Enzo, doch der schaute nur fragend zurück. Dann trottete er zu einem kleinen Sandhügel, wühlte ein wenig darin herum, bis er einen zerrupften Tennisball zum Vorschein brachte, den er mir auffordernd vor die Füße legte.
»Ich bin zum Arbeiten hier, nicht zum Spielen«, behauptete ich, nahm den Ball aber trotzdem. Er fühlte sicheklig an, glitschig und zerkaut. Ich warf ihn schnell fort in die Büsche, Enzo sprang hinterher. So ging es ein paarmal hin und her. Mit dem bettelnden Hund, der samt Ball hinter mir hertrottete, suchte ich den Hof nach Paolo ab. Schließlich hörte ich Stimmen aus dem Wachtelstall, die nicht so klangen, als würde Paolo liebevoll auf sein Federvieh einreden. Das klang nach Ärger. Als ich die Tür zum Stall öffnete, ließ Enzo den Tennisball fallen und knurrte leise.
»Pensaci su, überleg es dir, Paolo«, dröhnte eine fremde Männerstimme. »Glaub mir, das ist wirklich ein sehr großzügiges Angebot, wir werden es nicht wiederholen, also warte nicht zu lange.«
»Va via, es ist besser, du verlässt jetzt meinen Hof, Enzo mag keine Störenfriede«, antwortete Paolo, und wie zum Beweis wurde Enzos Knurren
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