Amore siciliano
lauter.
An uns vorbei trat ein Mann mittleren Alters, gekleidet in einen hellgrauen Anzug und glänzende Lederschuhe, die mit Wachtelkot verziert waren. Ob das wohl einer der Männer war, die ich in Messina mit Paolo hatte streiten sehen? Groß genug war der Typ, und der Maserati hatte ein Kennzeichen aus der Region. Aber das hieß noch nichts.
Paolo folgte dem Mann. Der drehte sich kurz um, betrachtete mich von oben bis unten. Ich trug eine verwaschene Jeans und ein Tanktop, um die Hüften hatte ich einen alten Werkzeuggürtel von Michele gebunden, dem ich als Einzigen erzählt hatte, dass ich seinem Nachbarn bei der Arbeit helfen würde. Mein rotes Haar hatte ich zum Pferdeschwanz zusammengebunden, darüber trugich falsch herum eine Basecap. Diese Art Arbeitskleidung hielt ich für praktisch und dennoch nicht unsexy. Zudem hatte ich mir ein Bündel saubere Kleidung und ein Two-in-one-Shampoo auf den Gepäckträger geschnallt – man konnte ja nie wissen, was der Abend brachte, und ich wollte auf alles vorbereitet sein.
Der Fremde lächelte spöttisch. »Beschäftigst du jetzt schon kleine Mädchen auf dem Hof, kannst du dir richtige Arbeiter wohl nicht mehr leisten?«
»Vattene, verschwinde!«, sagte Paolo, und Enzo unterstrich die Worte seines Herrn, indem er weiterknurrend auf den Fremden zuging. Sichtlich beeindruckt wich der zurück.
»Riflettici, Paolo«, rief er, und zu mir gewandt sagte er: »Signorina, wenn Sie klug sind, suchen Sie schnell das Weite, dieser Mann bringt Unglück.« Dann verließ er Paolos Anwesen, stieg in seinen Maserati und brauste davon.
»Du lieber Himmel, was war das denn für ein Typ?«, fragte ich, aber Paolo wiegelte nur ab.
»Niemand. Ein Wichtigtuer. Glaubt, dass man alles für Geld in der Welt kaufen kann. Ein widerlicher Kerl. So, wie ich sehe, bist du direkt einsatzbereit!«
Er schaute an mir herunter.
»Sono pronta«, meinte ich und hoffte, mich richtig an meine Italienischkurs-CD zu erinnern. »Posso lavorare, du kannst mich einsetzen!«
Paolo verstand offenbar, denn nun wollte er sehen, ob ich tatsächlich eine so gute und gründliche Arbeitskraft war, wie man es von meinen Landsleuten gemeinhin annahm.Als erste Aufgabe hatte er mir das Ausmisten des Wachtelstalls zugedacht, was ich innerhalb einer Dreiviertelstunde erledigt hatte. Dann mussten die Tiere gefüttert und getränkt, der Hof gefegt, seine zwei Ziegen gemolken und ein paar Zaunlatten ersetzt werden. Paolo war dabei recht wortkarg, und so schleppten, melkten und zimmerten wir nahezu schweigend nebeneinanderher.
»Wieso holst du eigentlich Milch von den Nachbarn, wenn du selbst Ziegen hast?«, fragte ich, als wir die Milch zum Haus hinüberbrachten.
»Per produrre il formaggio, die brauche ich für die Käseproduktion, das zeige ich dir nachher«, antwortete Paolo.
»Und was wollte der fremde Mann vorhin, was meinte er mit dem guten Angebot, das du annehmen solltest? Will er deine Erzeugnisse kaufen?«
»Te l’ ho già detto, ich hab doch gesagt, der Typ ist unwichtig. Er will etwas, das ich nicht will, und das ist auch schon alles. So, noch die paar Zaunlatten, und dann machen wir Feierabend hier draußen, bevor es dunkel wird.«
Wir gingen zum Schuppen, nahmen ein paar bereits zugeschnittene Bretter auf und trugen sie zu einer Stelle im Zaun, an der gleich mehrere Latten fehlten. Es sah aus, als wäre hier jemand eingebrochen.
»Bambini, Kinder aus der Umgebung«, sagte Paolo, als er meinen fragenden Blick sah.
Wir hämmerten die neuen Latten fest und strichen das Holz mit irgendeinem stinkenden Zeug ein, das gegen Verwitterung schützen sollte.
Meine Arbeitsklamotten sahen mittlerweile weniger sexy als vielmehr wie ein paar dreckige Lappen aus und rochen entsprechend.
»Was machen wir als Nächstes?«, fragte ich, als Paolo den Deckel auf die stinkende Lasurdose setzte und damit das Ende der Zaunreparatur einläutete.
»Non ne hai abbastanza, hast du denn noch nicht genug?«, fragte er zurück.
»Ich hab doch gesagt, ich komme zum Helfen.«
Paolo grinste. »Bene. Okay, dann kommt jetzt die eigentliche Arbeit, die schwerste von allen: die Küchenarbeit. Aber vorher sollten wir uns etwas frisch machen. Du kannst drinnen das Bad benutzen, und ich dusch mich hier draußen eben ab.« Er wies auf einen Gartenschlauch, der hinter eine Hecke führte. »Kalt, macht aber auch sauber«, sagte er, und begann, sich auszuziehen. Ich starrte auf seinen durchtrainierten, sonnengebräunten Oberkörper. Das
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