Amore siciliano
die Enge getrieben, und ehe ich reagieren konnte, hatte sie schon nach mir geschnappt und meine Wade erwischt, die aus meiner Caprihose herausblitzte.
Autsch! Das tat weh, und erschreckt hatte ich mich außerdem. Verflixt, das tat sogar richtig weh!
Ich war noch nie von einer Schlange gebissen worden, so hatte ich keine Vergleichsmöglichkeit, aber dieses Tier hatte mich eindeutig gut erwischt.
»Mistvieh!«, rief ich und warf einen Stock nach der Schlange, die sich leise zischelnd entfernte. Am liebsten wäre ich ihr hinterhergelaufen, um sie zurückzubeißen.
Stattdessen aber untersuchte ich die Bisswunde. Sie blutete nur leicht und brannte ein wenig, sah allerdings nicht gefährlich aus und würde sicher schnell verheilen. Vielleicht wäre es gut, die Wunde heute Abend zu desinfizieren. Ich kramte ein Pflaster aus meiner Tasche und klebte es darüber, damit kein Schmutz hineingelangte. Dann arbeitete ich weiter, merkte jedoch nach einer Weile, dass sich die Bisswunde nicht gut anfühlte. Als ich mit der Hand über die Stelle fuhr, stellte ich fest, dass meine Wade anschwoll. In mir keimte der Verdacht, dass ich in Biologie vielleicht doch nicht gut genug aufgepasst hatte, um sicher auszuschließen, dass die Schlange eine ungiftige Natter war. Was, wenn ich doch einen giftigen Biss abbekommen hatte? Mit einem Schlangenbiss im Bein allein mitten im Olivenhain zu hocken erschien mir plötzlich alles andere als idyllisch. Vielleicht sollte ich zurückgehen und die Wunde kühlen? Ich stand auf, um meine Sachen zusammenzupacken, aber beim Belasten sackte mein Bein unter mir weg. Mir wurde schwindelig. Ich humpelte ein Stück Richtung I Moresani, merkte aber schnell, dass ich nicht weit kommen würde. Die Schwellung wurde immer stärker, zudem war die Haut um das Pflaster herum mittlerweilefeuerrot. Ich war am äußersten Ende der Plantage, und bis ich auf einem Bein beim Haupthaus angelangt wäre, wäre meine Wade auf Basketballgröße angeschwollen. Verzweiflung kroch in mir hoch. Was, wenn diese Schlange giftig war? Warum sonst sollte die Wade so stark anschwellen? Was sollte ich nur tun? Ich war zwar recht gelenkig, aber eine Wunde an meiner eigenen Wade auszulutschen war nicht drin. Und ich konnte keine Hilfe rufen, mein Telefon hatte ich nicht dabei.
»Aiuto!«, rief ich hilflos fragend in die Bäume hinein. »Ist hier jemand? C’è qualcuno? Aiutatemi, per favore!«
Doch niemand antwortete, kein Tourist, niemand aus der Familie de Vivo, geschweige denn ein Arzt mit einem Gegengift. Ich zögerte nicht länger, sondern schlug den einzig möglichen Weg ein: den zum Hof di Gioia. Hoffentlich war Paolo da und konnte mich ins Krankenhaus fahren. Ich hüpfte einbeinig von Baum zu Baum, bis ich den Bretterzaun an Paolos Grundstück erreichte, der wie das berühmte Licht am Ende des Tunnels auf mich wirkte. Ich zwängte mich durch die Latten und rief wieder, diesmal lauter: »Aiuto!«
Der Erste, der mir zur Hilfe kam, war der gute Enzo. Lautstark bellend kam der Hund durch den Garten auf mich zugesprintet und warf mich beinahe um mit seiner stürmischen Begrüßung. »Enzo, chiama Paolo«, sagte ich, in der Hoffnung, dass der fleißige Wachhund verstand, was ich von ihm wollte. »Paolo!«, sagte ich, »bitte hol Paolo her.«
Amica – das Zauberwort von Paolo hatte geholfen, dieser Hund war mein Freund, denn er rannte sofort davon.Ich war mir sicher, dass er nun sein Herrchen zu Hilfe holen würde, und begann mir auszumalen, wie Paolo mich mit seinen starken, sehnigen Armen hochheben und nach Hause tragen würde. Dieser Schlangenbiss hätte vielleicht noch sein Gutes. Mir wurde wieder schwindelig bei dieser Vorstellung. Oder war das etwa schon die Wirkung des Schlangengiftes? Ich setzte mich ins Gras und starrte in die Richtung, in die Enzo verschwunden war.
Einige Minuten vergingen. So langsam wurde es echt Zeit, dass sich mal jemand um mein Bein kümmerte. Warum zum Teufel brauchte der Hund so lange, um Hilfe zu holen?
Da! Endlich hörte ich ein Kläffen, und wenige Sekunden später stand Enzo neben mir und bellte fröhlich. Dann lief er wieder ein Stück zurück, bellte auffordernd, kam zurück, lief wieder weg, bis ich schließlich sah, dass er zwischen meiner Rettung und mir pendelte. Bestimmt würde Paolo gleich da sein und mir helfen! Doch statt Paolo kam der alte Giuseppe um die Ecke. Ganz gemächlich, ohne jegliche Hektik.
»Op là! Was machst du denn hier, Mädchen?«, begrüßte er mich. »Ich hab
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