Amore siciliano
mich schon gewundert, was der Hund hat, weil er mich hierher führte.«
»Un serpente! Ich wurde von einer Schlange gebissen!«, rief ich und langsam stiegen mir die Tränen in die Augen angesichts meiner dick geschwollenen Wade. Würde hier bitte einmal jemand die Dramatik meiner Situation erkennen? Der alte Giuseppe schien mir nicht gerade der geeignete Retter zu sein. Wo zum Teufel war Paolo mit seinen starken Armen?
Giuseppe hatte sich inzwischen vor mich hingehockt, zog das Pflaster mit einem Ruck ab und untersuchte fachmännisch meine Bisswunde.
»Wie sah die Schlange aus?«, fragte er.
»Ich weiß nicht genau«, antwortete ich, »so graugrün mit einem Muster auf dem Rücken«.
»Pensaci un attimo.« Giuseppe wurde streng. »Grau oder grün, das ist jetzt wichtig!«
Seine ernste Stimme jagte mir noch mehr Angst ein.
»Grigio«, schluchzte ich. »Ich glaube, sie war grau, aber ich bin nicht ganz sicher, sie hat auch so grün geschimmert! Eigentlich war sie grüngrau mit schwarzem Muster«.
»Va bene«, meinte Giuseppe. »Gehen wir erst einmal ins Haus und schauen uns das näher an.«
Er erhob sich, griff mir unter die Achseln und stützte mich auf dem Weg zum Haus.
»Sollten wir nicht lieber gleich ins Krankenhaus fahren?«, fragte ich besorgt. »Ich will noch nicht sterben!«
»Non c’è bisogno dell’ospedale, wir brauchen kein Krankenhaus, hier stirbt keiner an einem Schlangenbiss. Wichtig ist jetzt erst mal, dass wir das Bein ruhig stellen, um mögliches Gift nicht unnötig zu verteilen. Und dann müssen wir herausfinden, was für eine Schlange das war.«
Der alte Erntehelfer brachte mich zum Haus hinüber in Paolos Küche und platzierte mich auf der Eckbank. Mein Bein wurde hochgelegt, und die Wunde mit Alkohol desinfiziert. Ich ließ alles über mich ergehen. Es fühlte sich so an, als würde nun alles wieder in Ordnung kommen.
»Andrà tutto bene, alles wird gut«, erklärte Giuseppe denn auch beruhigend. »Die Schwellung ist wahrscheinlich so stark, weil du dich viel bewegt hast. Sie wird bald zurückgehen, und dann kannst du auch wieder laufen«. Er nahm sich Paolos Telefon und wählte eine Nummer.
Ich war froh, nicht mehr allein zwischen Olivenbäumen zu sitzen. Hier in Paolos Küche fühlte ich mich wirklich recht geborgen. Schon die zweite Küche, in der ich heute versorgt wurde.
Allein unter Bäumen lag nun aber etwas ganz anderes: der Laptop! Den hatte ich total vergessen. »Meine Sachen!«, rief ich. »Die liegen noch unter dem Baum!« Was war ich nur für ein Trottel, ich hatte einfach alles liegengelassen, als ich in Panik über den Schlangenbiss weggehumpelt war. Wenn es nun anfing zu regnen oder auch nur ein Vogel seine Spuren darauf hinterließ, ging das Gerät sicher kaputt, und auch meine Arbeit am Interview wäre verloren.
Ich richtete mich auf, um mich auf den Weg zurück in den Olivenhain zu machen, doch Giuseppe hielt mich zurück. »Ferma! Sitzenbleiben! Wo willst du denn hin? Das Bein muss noch ruhig gehalten werden!«
»Ich habe meine Sachen unter dem Baum liegengelassen, die muss ich holen, bevor es dunkel wird.«
»Lascia stare, ci penso io, das erledige ich, Mädchen, sag mir nur, wo die Sachen liegen, dann geh ich sie holen, und du bleibst hier.«
Ich beschrieb Giuseppe den Weg zu dem Baum, unter dem ich gesessen hatte. Er befahl Enzo, bei mir zu wachen, und verließ das Haus.
Während dieser hilfsbereite Mensch also in die Plantage wanderte, um meinen Laptop und meine Notizen zu retten, trank ich meinen Kräutertee und versuchte mich zu erinnern, wann ich meine letzte Tetanusimpfung bekommen hatte. Enzo saß still neben mir, hechelte nur ein wenig. Ich war froh, nicht ganz allein zu sein. Mir war immer noch etwas schwindelig. Was für ein Tag: erst die Trennung von Malte, dann die toten Tiere bei Nonna Margherita und nun noch der Biss einer Gott sei Dank nicht giftigen Schlange. Kein Wunder, dass ich mich plötzlich total matt fühlte. Wo wohl der Hausherr steckte? Wenn ich nicht so müde gewesen wäre, hätte ich gute Lust gehabt, mich mal ein wenig in seinem Haus umzusehen. So eine Gelegenheit bot sich schließlich nicht alle Tage, und vielleicht hätte ich endlich herausgefunden, was Paolo für Probleme hatte und was sich zwischen ihm und den anderen Männern vorm Bauamt abgespielt hatte. Über diesen Gedanken fielen mir jedoch die Augen zu. Ich hatte einen äußerst seltsamen Traum von giftigen Insekten und dunklen bedrohlichen Tunneln durch
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