Amore siciliano
Olivenhaine, der mich schweißgebadet wieder aufwachen ließ.
Als ich die Augen öffnete, standen fünf Leute um mich herum: Giuseppe, Michele, Paolo, Dieter und ein mir unbekannter Mann mit einer Spritze in der Hand. Träumte ich noch?
»Avete fatto bene, gut, dass Sie uns gleich gerufen haben«, sagte der Spritzenmann zu Giuseppe. Dann sagte er noch etwas von »vipera« und »non si deve aspettare«, nicht zu lange warten.
Moment mal? Vipera?
»Ich dachte, es wäre keine giftige Schlange gewesen? Giuseppe! Hattest du nicht gesagt, alles wäre gut? Was für eine Schlange hat mich denn gebissen? Dieter? Paolo?«
Der unbekannte Mann stellte sich als Landarzt vor und erklärte mir in langsamen Worten, dass das Foto, das sich Giuseppe clevererweise auf der im Gras liegenden Digicam angesehen hatte, eindeutig zeigte, wie eine Viper neben Frauenfüßen durchs Gras kroch, und dass er mir gegen die Schmerzen etwas gespritzt und, was unbedingt nötig gewesen sei, die Tetanusimpfung aufgefrischt habe.
»Lo avevo immaginato, so was hatte ich mir schon gedacht«, sagte Giuseppe, »als du dir der Farbe der Schlange nicht mehr sicher warst, und die Bisswunde sah auch so aus, dass sie durchaus von einer Viper hätte stammen können. Deshalb habe ich sofort den Arzt gerufen und beschlossen, mich auf der Suche nach deinen Sachen nach der Schlange umzuschauen. Ja, stattdessen habe ich die Kamera gefunden und eins und eins zusammengezählt. Touristen fotografieren ja gern Tiere. Zum Glück war das bei dir auch so.«
»Und mir hat er den Verdacht verschwiegen«, klagte ich an Paolo gewandt. »Ich dachte, alles wäre gut und ich müsste nicht ins Krankenhaus.«
»È andata bene così, und das war gut so. Ich denke, er wollte dich nicht aufregen, es war nämlich schon schlimm genug, dass du auf dem einen Bein durch den Olivenhain gehüpft bist. Da hat sich das Gift schön ausbreiten können. Giuseppe hat genau richtig gehandelt, dass er dich hier auf die Bank gelegt hat«, meinte Paolo. »Ein Vipernbiss ist eben nicht ungefährlich.«
»Nicht ungefährlich, wie bitte?«, rief ich aufgeregt und zog das Bein an, um mich selbst vom Ausmaß der Schwellung zu überzeugen. »Das ist ja lebensgefährlich hier, wenn solche Tiere durchs Gras kriechen! Ich geh nie wieder raus!«
Das war natürlich übertrieben, aber ich bekam nun nachträglich Angst vor der Gefahr, in der ich allein unterm Baum gewesen war.
»Nu beruhig dich ma, Mädchen«, sagte Dieter. »Du hast richtig Glück gehabt, soweit ich det mitbekommen habe, war es reiner Zufall, dass Giuseppe noch hier war und den Arzt rufen konnte. Wieso um Himmels willen hast du denn dein Handy nicht mitgehabt?«
»Keine Ahnung! Ich bin eben manchmal etwas schusselig!«, schluchzte ich. Das war alles zu viel für mich. Ich war von einer gefährlichen Giftschlange gebissen worden. Einfach so, am helllichten Tag, nur weil ich unter einem Olivenbaum gesessen hatte. Mir schossen wieder Tränen in die Augen.
Michele nahm meine Hand und drückte sie tröstend, Paolo zwinkerte mir aufmunternd zu. »Va tutto bene. Ich habe gehört, mein Enzo hat sich als Lebensretter betätigt«, sagte er. »Du hast wirklich Glück gehabt, eigentlich waren Giuseppe und ich schon auf dem Weg nach Messina zum Markt, aber wir hatten etwas vergessen, und so fuhr Giuseppe noch einmal zurück und merkte, dass Enzo ihm etwas zeigen wollte«, bestätigte er Dieters Ausführungen.
Es war also knapp gewesen. Ich mochte gar nicht darüber nachdenken, was geschehen wäre, wenn ich aufdi Gioia niemanden angetroffen hätte. Ich wäre an einem Viperngift kläglich verreckt!
»Können wir sie nach I Moresani bringen?«, fragte Dieter den Arzt.
Der nickte. »Va bene. Eigentlich müssten Sie zumindest für ein paar Stunden zur Beobachtung ins Krankenhaus. Aber die Schwellung ist so gut zurückgegangen, dass ich es verantworten kann, Sie hier zu lassen. Fühlen Sie sich denn besser?«, fragte er mich.
Ich nickte ebenfalls.
»Va bene«, übte sich mein Chef in italienischen Floskeln. »Dann wollen wir die Patientin mal nach Hause bringen.«
Unter Aufsicht aller humpelte ich, von Dieter gestützt, zu Micheles Wagen, mit dem sie nach Paolos Anruf herübergeeilt waren, und die beiden Männer brachten mich zurück auf unseren Hof, wo ich sofort ins Bett geschickt wurde, um das Bein stillzulegen. Der Arzt versprach, am nächsten Morgen noch einmal nach mir zu sehen. So lag ich um acht Uhr abends wie ein krankes Kind im Bettchen,
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