Amore siciliano
der schon bald zu neuem Leben erweckt werden sollte, lehnte ich mich gegen einen Olivenbaum, warf den Laptop an und begann zu arbeiten. Die Kürzung des Interviews ging mir erstaunlich leicht von der Hand. Gute zwei Stunden verbrachte ich mit Streichen, Umstellen,Kommentieren und Neuzusammenfassen. Meine Stimmung besserte sich dabei stetig. Ich war gut in meinem Job, ich erledigte die Aufgaben, die Dieter mir übertrug, und ich war alles andere als Maltes Protegé. Es war die richtige Entscheidung gewesen, mich von ihm zu trennen. Wenn ich ehrlich zu mir war, war schon zu Hause in Berlin nicht mehr alles im Reinen zwischen uns gewesen, aber Sizilien hatte mir Seiten an ihm gezeigt, die ich vorher wohl nicht hatte sehen wollen. Und jetzt war von meiner einstigen Begeisterung für ihn nichts mehr übrig. Die Vorstellung jedenfalls, jetzt wieder Single zu sein und von vorn anfangen zu müssen, erschien mir nicht ansatzweise so schlimm, wie ich es erwartet hatte. Vielmehr fühlte sich mein Ausbruch von vorhin wie ein Befreiungsschlag an. Malte war schließlich nicht der einzige Mann auf Erden. Und vielleicht brauchte ich auch einen ganz anderen Typ Mann, als Malte es war. Einen, der das Leben positiver sah, der anpackte, statt zu nörgeln. Jemanden, der mich schätzte und der nicht immer nur auf mich herabsah, um mich zu belehren.
Und was den Job bei Studio Berlin anging: Es würde sich sicher eine Möglichkeit finden lassen, sich aus dem Weg zu gehen. Jedenfalls würde ich um keinen Preis kündigen, und ich glaubte auch nicht, dass man mich feuern würde, nur weil ich in Malte keinen Fürsprecher mehr hatte. Immerhin traute Dieter mir hier bei diesem Projekt schon einiges zu. Ich war längst hinaus über den Status des Mädchens für alles, da hatte Paula vollkommen recht.
Kapitel 12: C ONSIDERAZIONE
Die Sonne war mittlerweile schon weit über den Hügel Richtung Westen gewandert und stand so tief, dass sie mich blendete. Ich hatte meine Sonnenbrille nicht dabei, sie lag sicher in meiner Handtasche auf dem Zimmer, genauso wie mein Telefon. Aber ich erwartete ohnehin keinen Anruf. Meiner Mutter hatte ich am Abend zuvor noch rasch eine »Mir geht es gut«-Nachricht geschickt, und Charly und ich kommunizierten ja per Mail. Beide würden sich wahrscheinlich freuen, wenn ich ihnen erzählte, dass ich wieder Single war. Charly würde mir zu dem aus ihrer Sicht überfälligen Schritt gratulieren, und Mama würde ihr typisches »Ich hab’s dir doch gesagt, der Junge ist nichts für dich« nicht zurückhalten können. Leider würde ich ihnen kaum widersprechen können, denn je länger ich die vergangenen Tage Revue passieren ließ, desto sicherer war ich, dass meine Beziehung zu Malte im Grunde nur eine Phase war und ich mir für eine tiefe, innige Liebesbeziehung einen ganz anderen Typ Mann wünschte. Keine halben Sachen, keine Kompromisse mehr.
In Gedanken über meine Zukunft ohne Malte, merkte ich gar nicht, dass sich jemand zu mir gesellt hatte: EineSchlange kroch nahe meinen ausgestreckten Füßen durchs Gras. Ein wunderschönes Tier, bestimmt einen Meter lang. Leise zischend schlängelte sie auf meine ausgezogenen Sandalen zu. Ich hatte keine Angst vor Schlangen, zumindest solange sie nicht giftig waren. Zwar trugen die Tiere kein Totenkopfemblem auf dem Kopf, so dass man sie problemlos einordnen konnte, aber diese hier, da war ich sicher, gehörte bestimmt zu den berühmten Äskulapnattern – die waren typisch für Sizilien und, wie die meisten Nattern, total harmlos. Ein wirklich schönes Tier, mit einer hübschen Rückenzeichnung. Ich zog meine Digicam aus der Laptoptasche und machte ein paar Bilder von der Schlange. Bewundernd beobachtete ich sie eine Weile, als sie plötzlich auf Höhe meiner nackten Waden angekommen innehielt, und, statt vorüberzukriechen, mir nun ihren hübschen ovalen Kopf zuwandte und mich anstarrte. Ich hatte erwartet, dass sie ebenso unauffällig wieder verschwinden würde, wie sie sich angeschlichen hatte. Doch irgendetwas musste ihr Interesse geweckt haben, denn sie starrte mich unentwegt an und züngelte leicht. Das Geräusch klang plötzlich weniger friedlich. Mir kam die Szene mit Mowgli und Kha aus dem
Dschungelbuch
in den Sinn: Ob Schlangen tatsächlich hypnotische Kräfte hatten? Neugierig versuchte ich, ihr in die Augen zu schauen. Dabei lehnte ich mich ein wenig vor, zog meine Beine an mich heran und übersah die Gefahr. Die Schlange fühlte sich von meiner Bewegung in
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