Amore siciliano
sie und begann, den Tisch abzuräumen.
»Simona!«, rief Nonna empört. »Aspetta, Alessandra ist noch nicht fertig, nicht wahr?«
»Si, ho finito«, wehrte ich ab. »Ich bin sehr satt, vielen Dank, Nonna Margherita. Ich muss auch mal nach meinen Kollegen schauen und ihnen bei der Arbeit helfen.«
»Sie sind im Hof«, erklärte Simona knapp.
Ich verabschiedete mich höflich. Beim Verlassen der Küche hörte ich Nonna Margherita sagen: »È una cara ragazza, das ist ein nettes Mädchen.« Aber noch bevor ich mich richtig darüber freuen konnte, hörte ich Simonas Antwort: »Non è tutto oro quello che luccica, es ist nicht alles Gold, was glänzt.« Die Tochter des Hauses hatte ganz eindeutig ihre Probleme mit mir.
Ich ging in den Hof hinaus und suchte nach Dieter und Paula. Sie saßen unter einem alten Orangenbaum auf einer Bank und hatten angefangen, die Interviews der vergangenen Tage durchzugehen. Ich setzte mich zu ihnen. »Entschuldigt bitte die Verspätung, ich brauchte mal eine kurze Pause.«
Dieter runzelte die Stirn und sah mich streng an. »Ick hab schon gehört. Det is genau der Grund, weshalb ich keine Paare in meinen Projekten haben will – det gibt nur Ärger.«
»Jetzt ist alles geklärt. Es kommt nicht noch einmal vor«, entschuldigte ich mich und erkundigte mich, wie weit die beiden schon gekommen waren. Dieter übertrug mir die Aufgabe, das Interview mit dem Olivenbauern Signor Lapi, das verschriftlicht worden war, von zehn Seiten auf zwei herunterzukürzen und seine wichtigsten Aussagen auszuwählen, um ihn damit im Bild zeigen zu können. Aus dem Rest würde ich noch einmal eine Auswahltreffen und die wichtigsten Informationen für den Sprechertext umformulieren.
»Sieh zu, det der Wechsel zwischen seinen Aussagen und dem Sprechertext sich sinnvoll ergänzt und möglichst authentisch wirkt. Wir spielen die Bilder von Lapi ein und schildern, wie er seine Produkte nach alter Familientradition so nebeneinander anbaut, dass wie von selbst über die Jahre durch natürliche Kreuzung zweier Sorten ungewöhnliche Mischungen entstehen. Und gleichzeitig zeigen wir, dass er dabei wie von selbst die Biostandards erfüllt, indem er Genmanipulation im Reagenzglas vermeidet und auf die natürliche Auslese bei der Artenentwicklung setzt. Bei einer Dokumentation geht es nicht darum, unsere Meinung zum Ausdruck zu bringen und die Sachen zu werten. Der Zuschauer soll sich aufgrund der Informationen, die wir ihm geben, eine eigene Meinung bilden können, ob Bioanbau wat nützt.«
»Wie, ob das was nützt? Natürlich nützt es was, es ist die beste Alternative zu Monokulturen, Genmanipulation und Massentierhaltung«, wandte ich ein. »Deswegen machen wir das hier doch überhaupt!«
»Uiuiui«, meinte Dieter. »Mädchen, du machst deine Sachen hier gut, aber du bist ja wirklich noch grün hinter den Ohren!«
Paula sprang ein: »Alex, was Dieter meint, ist, dass wir den Zuschauern unsere Meinung nicht vorgeben dürfen. Bei einem Dokumentarfilm müssen wir alle Seiten der Biolandwirtschaft und des Agriturismus aufzeigen, nicht bloß die, die uns gefallen, oder die, die unsere Thesen stützen. Sonst ist es keine Doku mehr, sondern ein Werbefilm.«
»Genau«, bestätigte Dieter. »Und deshalb ist Authentizität det Wichtigste hier. Signor Lapi zum Beispiel ist für uns einer dieser Bauern, die ins Klischee passen, aber wir müssen denen da draußen auch zeigen, dass es die unterschiedlichsten Menschen mit den unterschiedlichsten Motivationen sind, die Biolandwirtschaft betreiben. Und dass die Leute das eben nicht unbedingt nur aus Tradition heraus oder nur aus Liebe zur Natur machen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen.«
»Ja, das hast du schon mal gesagt.« Er hatte ja recht, dies war die erste Dokumentation, an der ich mitarbeitete, und ich versuchte, alles, was ich im Studium gelernt hatte, abzurufen, aber manchmal schoss ich einfach übers Ziel hinaus. »Okay, also dann setze ich mich mal an das Interview mit Signor Lapi – was dagegen, wenn ich mich dafür ein wenig zurückziehe?«
»Nö, geh du nur. Paula und ich überarbeiten derweil dein Taormina-Skript, und morgen fahren wir dann zu dieser Nelken- und Entenfrau.«
»Narzissen«, verbesserte ich.
»Meinetwegen.«
Ich ließ die beiden unter dem Orangenbaum sitzen, holte Laptop, Notizblock und ein Kissen aus unserem Zimmer und suchte mir ein abgelegenes Örtchen im Olivenhain zum Überarbeiten des Interviews. Mit Blick auf den Weinberg,
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