Amore siciliano
Tresen saßen Paolo, Michele, Giuseppe und – Malte. Simona bewirtete sie.
»Lexi, komm her«, rief Malte. »Setz dich zu uns, wir haben gerade von dir gesprochen.«
»Wirklich?«, fragte ich misstrauisch. »Über was denn genau?«
»Paolo hat uns erzählt, wie geschickt du dich beim Limoncellomachen angestellt hast. Ich hab ihm gesagt,dass zu Hause ich eigentlich eher derjenige bin, der kocht, aber Italien scheint bei dir weibliche Talente zu wecken.«
Die Spitzen in seinen Worten waren nicht zu überhören. Und es gefiel mir gar nicht, dass er Paolo gegenüber die Aufgabenverteilung in unserer Beziehung erwähnte. Immerhin waren wir mittlerweile getrennt, und selbst wenn es stimmte, dass er häufiger gekocht hatte als ich, lag das doch nur daran, dass er schon mehr Erfahrung mit vegetarischen Gerichten hatte. Er sollte mich mal eine Weihnachtsgans zubereiten sehen, das war nämlich eine Spezialität im Hause Herzogenaurich gewesen, bevor ich Vegetarierin geworden war.
Ich setzte mich zwischen Malte und Michele auf den einzigen freien Barhocker, und Simona goss mir vom Weißwein ein, den alle tranken.
»Interessant, auf diese Weise zu erfahren, wo sich meine Freundin die letzten Tage so herumgetrieben hat«, zischte Malte mir zu.
»Ich bin nicht mehr deine Freundin«, zischte ich zurück.
»Aber an dem Limoncelloabend warst du es noch. Und was genau ist da denn zwischen dir und dem Olivenbauern gelaufen, hm? Hast du mich etwa wegen dem verlassen?«
»Quatsch«, sagte ich. »Da ist überhaupt nichts gelaufen, ich hab dich verlassen, weil das zwischen uns so nicht weiterging und ich gemerkt habe, dass sich meine Gefühle zu dir verändert haben.« Dann sagte ich entschuldigend in Richtung unserer italienischen Freunde,die ja glücklicherweise kein Wort verstehen konnten: »Che c’è di nuovo?«
»Wir bekommen neue Gäste«, sagte Michele. »Die jetzigen reisen erst in zwei Tagen ab, aber für morgen haben sich bereits drei neue Gäste angemeldet. Wir werden ein zusätzliches Zimmer brauchen für die beiden Nächte.«
»Oje«, meinte ich. »Und was nun? Müssen wir ausziehen oder ein Zimmer abgeben?«
»No, non c’è problema. Simona ist so nett und stellt ihr Zimmer den Gästen zur Verfügung, bis die Polinnen abgereist sind«, antwortete Michele. »Sie schläft so lange bei einem Freund.«
»Dormo da Paolo, ich schlafe bei ihm«, erklärte Simona. »Das habe ich schon oft gemacht.«
Ich zuckte unmerklich zusammen. In Paolos Gesicht war keine Regung zu erkennen, es schien für ihn die normalste Sache der Welt, dass verkündet wurde, dass Simona bei ihm übernachtete. Also hatte ich mit meiner Vermutung vom ersten Tag an richtig gelegen: Paolo und Simona waren offensichtlich ein Paar. Genau das wollte sie mir hier doch unter die Nase reiben mit ihrem »Das habe ich schon oft gemacht«. Sie markierte ihr Revier. Charly hatte mit ihrem Schlangenvergleich gar nicht so verkehrt gelegen. Andererseits: Wenn Simona wirklich Paolos feste Freundin war, dann war ich in ihren Augen wohl eher das Biest, das sich zu viel in seiner Nähe aufhielt. Jedenfalls war es kein Wunder, dass sie meine Besuche bei ihm so argwöhnisch beäugt hatte. Aber warum sah man die beiden nie zusammen? Bislang hatte ich nicht beobachten können, dass sie besonders liebevoll miteinander umgingen.Paolo hatte sie mit keinem Wort erwähnt, als ich bei ihm war. Und in seinem Bad wies überhaupt nichts auf regelmäßigen Frauenbesuch hin.
»Enttäuscht, dass er in festen Händen ist?«, fragte Malte. So ein Aas. »Hätte ich dir gleich erzählen können, Simona hat mir neulich schon von ihm vorgeschwärmt.«
»Wie kommst du denn darauf? Ich finde so eine Hilfe zwischen Nachbarn super«, tat ich, als ginge mich das alles nichts an. Sollte bloß keiner denken, die Neuigkeit mache mir etwas aus. Es konnte mir doch egal sein, wer hier mit wem eine Beziehung hatte. In ein paar Tagen waren unsere Dreharbeiten beendet, und ich würde wieder zurück nach Berlin fliegen, als Single, mit vielen Erfahrungen im Gepäck und bereit für Neues.
Selbst wenn Paolo nicht mehr zu haben war, fand ich es toll, ihn getroffen zu haben. Einen jungen, attraktiven Sizilianer, der den Hof seines Vaters in Ehren hielt und biologisch bewirtschaftete. So jemanden lernte man nicht alle Tage kennen. Doch der Gedanke an seine grünen Augen versetzte mir einen Stich. Umso weniger war mir danach, neben dem Stinkstiefel Malte am Tresen sitzen zu bleiben und den anderen
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