Dieter zufrieden. So langsam wurde der Film eine runde Sache, wir hatten reichlich Material gesammelt und konnten auf dieser Basis anfangen, über den Schnitt nachzudenken.
»Agricoltura biologica«, erklärte uns der Besitzer einer Orangenplantage, die direkt am Vulkan lag, »heißt für uns nicht nur, die Pflanzen vor unnatürlichen Einflüssen zu schützen, sondern vor allem, die natürlichen Einflüsse und ihre positiven Auswirkungen zu stärken. Das ist einegeradezu wissenschaftliche Herangehensweise, die sich hier entwickelt hat aus dem Bedürfnis der Menschen, die Natur so anzunehmen, wie sie sich uns anbietet. Wenn bei uns eine Olivenart zu oval wird, um in eine vorgegebene Norm zu passen, dann stampfen wir sie nicht zu Paste, nein, wir fördern ihren Wuchs und machen daraus eine speciale.«
Ich hatte noch nie davon gehört, dass Oliven zu oval sein könnten, aber ausschließen konnte man im bürokratieversessenen Europa ja nichts, also glaubte ich dem Bauern seine Speciale-Story.
Außerdem erklärte er mir noch, dass viele Biobauern auch auf kosmische Einflüsse achteten und ihre Saat nach bestimmten Mondkonstellationen planten. »Unsere Hauptaufgabe ist jedoch, den Erdboden nicht auszulaugen, sondern seine Fruchtbarkeit zu bewahren.«
Der Ätna-Bauer gehörte einem der Bioverbände an, die einem EU-weiten Kontrollwerk unterstanden. Mir fiel Paolos Kommentar zu den italienischen Kontrollorganen wieder ein. Vielleicht war ein Biosiegel nicht gleich eine Garantie für Qualität, aber es zeugte immerhin von dem guten Willen und den Bemühungen, Lebensmittel auf natürliche und nachhaltige Weise herzustellen.
Am späten Nachmittag verließen wir die Gegend um den Ätna wieder und fuhren zurück nach I Moresani, wo Dieter uns eröffnete, dass wir den Abend frei hatten und am nächsten Morgen ausschlafen könnten, da er erst für Mittag eine Teambesprechung ansetzte. Paula erklärte, die unerwartete Freizeit für einen Saunagang nutzen zu wollen, Ole machte sich zum Joggen auf, und Jakob ludCarla »als Dank für ihre Unterstützung« zum Essen ins Restaurant unseres Hofes ein. Malte hatte offenbar endlich begriffen, was los war, denn er machte keinerlei Anstalten, mich nach einer gemeinsamen Unternehmung zu fragen. Ich war froh darüber, gleichzeitig war es auch seltsam. Ich war nicht sicher, ob ich Malte verletzt hatte oder ob es ihm mehr oder weniger gleichgültig war, dass es nun aus zwischen uns war. So suchte ich erst mal per Mail Rat bei Charly, und da sie gerade am Computer saß und eine Hausarbeit schrieb, bekam ich postwendend Antwort:
From:
[email protected]To:
[email protected]Date: April 1st, 18:33
Subject: Re: Ungewissheit
Also wirklich Alex, Du spinnst ja. Da wird dir der Traummann schlechthin auf dem Nachbarhof, also quasi auf dem Silbertablett, serviert, und statt Dich mal darum zu kümmern, was mit ihm laufen könnte, beschäftigst Du Dich immer noch mit dem eitlen Körnerfresser. Kümmer Dich mal schön um Deine Gefühle, Malte muss selbst sehen, wie er ohne Dich klarkommt, er hat schließlich auch nichts dafür getan, Dich zu halten. Spätestens in zwei Tagen will ich hören, dass Du mit diesem Sahneschnittchen geknutscht hast, sonst komm ich persönlich nach Sizilien und erledige das für Dich.
Ciao bella, C.
Vielleicht hatte Charly recht, und ich sollte mir lieber Gedanken um mich selbst als um Malte machen. Ich beschloss, auf Charly zu hören und Paolo und Enzo einen Besuch abzustatten. Vielleicht konnte ich unserem Nachbarn wieder bei der Limoncello-Produktion helfen oder einfach nur gemütlich mit ihm reden. Ich lieh mir wieder Simonas Fahrrad, zog die knallgelbe Warnweste über, von der ich gehört hatte, dass sie außerhalb der Ortschaften in Italien Pflicht war, und radelte Richtung di Gioia. Auf halbem Weg kamen mir jedoch Zweifel. Warum zog es mich eigentlich immer wieder zu Paolo? Er hatte mich doch nicht eingeladen. Seit dem Schlangenbiss hatte er sich nicht ein Mal nach meinem Wohl erkundigt. Wenn ich nun zu ihm führe, würde das doch fast aufdringlich wirken.
Nein, aufdringlich wollte ich nun wirklich nicht sein.
Ich wendete und radelte die Landstraße wieder hinunter Richtung I Moresani. Als ich in die Einfahrt einbog, sah ich den vertrauten Jeep neben Micheles Auto stehen. Ich musste grinsen. Da hätte ich schön blöd vor verschlossener Tür gestanden. Ich lehnte das Fahrrad gegen die alte Steinmauer und betrat die Bar. Am