Amore siciliano
weiter zuzuhören. Ich würde austrinken und mich auf mein Zimmer zurückziehen, um Trost bei Charly zu suchen.
Beim Griff nach meinem Glas blieb ich mit meinem Ärmel an einem Haken am Tresen hängen. Durch den plötzlichen Ruck warf ich mein Weinglas um, und das gute Zeug breitete sich auf dem Tresen aus und tropfte mir auf den Rock. »Oh, mi dispiace!«
»Non fa niente«, sagte Simona in zuckersüßem Ton.Malte grinste hämisch, und Paolo runzelte erstaunt die Stirn. Das war das Zeichen für mich, zu gehen. Ich half Simona noch beim Aufwischen der Weinlache, dann verabschiedete ich mich und verließ den Ort meiner Niederlage.
Ich versuchte, Charly zu erreichen, doch sie ging nicht ans Telefon, wahrscheinlich war sie wieder einmal unterwegs. Sie machte das richtig: Partys feiern und immer neue Männer kennenlernen, sie tobte sich aus und verknallte sich immer wieder neu, einfach nur, weil ihr danach war.
Ich hingegen war noch nicht mal Mitte zwanzig und hatte schon Probleme, mich von einem Stiesel wie Malte zu trennen, und der Einzige, der ein interessanter Kandidat für Neues gewesen wäre, war schon vergeben.
Das Leben konnte wirklich hart sein.
Kapitel 14: C ONFUSIONE
Noch fünf Drehtage hatte Dieter angesetzt. Wenn wir die wie geplant und ohne Pannen durchziehen konnten, würden uns bis zu unserem geplanten Abflug noch zwei weitere Tage bleiben. Da das Umbuchen einiges kosten würde, hatte uns die Produktionsleitung von Studio Berlin angeboten, trotzdem zu bleiben und die Zeit zu unserer freien Verfügung zu nutzen, sofern wir die Hälfte der Unterbringungskosten übernähmen. Ich fand das Angebot trotz meiner geschröpften Kasse großartig und wollte es unbedingt annehmen. Denn auch wenn es noch fast eine Woche bis zur geplanten Rückkehr war, wachte ich heute schon mit einem leisen Abschiedsschmerz auf.
Sizilien zeigte sich von seiner besten Seite: Sonne, neunzehn Grad, zwitschernde Vögel – was will man mehr? Harmonie vielleicht, aber da war nichts zu machen. Seitdem auch Malte begriffen hatte, dass ich nicht mehr seine Freundin war, herrschte Eiszeit zwischen uns. Er fuhr mir ständig über den Mund, zog alles, was ich sagte, ins Lächerliche und genierte sich nicht, offensiv mit Carla zu flirten, die darauf, zum Leidwesen des armen Jakob, nur allzu bereitwillig einging. Ich hingegen ärgerte mich zwar über sein lächerliches Verhalten, es berührtemich jedoch erschreckend wenig. Vielmehr half es mir, letzte Zweifel an der Notwendigkeit unserer Trennung auszuräumen.
Meinen persönlichen Befreiungsflirt hatte ich nach dem gestrigen Abend leider auf die Zeit nach meiner Rückkehr nach Berlin verschieben müssen. Wobei ich mir im Moment noch überhaupt nicht vorstellen mochte, bald wieder im feuchtkalten Grau des Berliner Vorfrühlings zu sitzen. Umso mehr hatte ich vor, die letzten Tage hier zu genießen. Es gab noch so viel zu sehen: die Terrassenseen der Cava Grande del Cassibile zum Beispiel, Palermo oder die Äolischen Inseln. Darüber hatte ich im Internet gelesen, dass die Menschen dort, bedingt durch die Insellage und den begrenzten Raum, umweltfreundliches Alltagsverhalten längst verinnerlicht hatten. Sie trennten ihren Müll und bemühten sich um sparsamen Umgang mit Strom und Wasser. Hier auf Sizilien war man offenbar noch einen Schritt hinterher. Zwar lebten wir bei den de Vivos auf einem Biohof, aber was Recycling anging, sah es schlecht aus. Der Müll wurde als gemischter Hausmüll einmal wöchentlich abgeholt. Altpapiercontainer suchte man vergebens. Ob die berühmte Müllmafia in dieser Gegend aktiv war, wusste ich nicht.
Jedenfalls wollte ich in der letzten Woche noch so viel italienische Biokultur wie möglich kennenlernen. Immerhin war Sizilien berühmt für seine Küche und die vielen Lebensmittel, die nicht industriell produziert wurden. Ich hatte noch längst nicht alles probiert, was die traditionellen Küchenchefs hier anboten. Auf weitere Erfahrungen mit Meeresfrüchten wollte ich jedoch verzichten, ich warauf der Suche nach vegetarischen Spezialitäten. Daher würde ich heute nach den Dreharbeiten meinen ganz persönlichen Ricottakurs bei Nonna Margherita absolvieren. Die hatte nämlich auch zwei Tage nach meiner Trennung von Malte noch das Bedürfnis, mich aufzupäppeln. Ich sparte es mir, sie darüber aufzuklären, dass ich längst meine neue Freiheit genoss.
Auf dem Weg vom Frühstücksraum zu den anderen, die bereits am Bus warteten, rauchte ich noch eine
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