Amore siciliano
plötzlich geändert haben?«, zweifelte ich. »Erst war er total abweisend mir gegenüber, dann ziemlich spöttisch, bei allem, was ich gesagt oder getan hatte, und nun soll er plötzlich romantisch werden? Von einem Tag auf den anderen?«
»Vielleicht hat er mitbekommen, dass du nicht mehr mit der Schnarchnase zusammen bist?«
Das war natürlich ein Argument. Vielleicht war Paolo ebenso korrekt veranlagt wie ich und würde nie versuchen, einem anderen die Frau auszuspannen?
Ich war gespannt auf den nächsten Tag.
Zuerst einmal verabschiedeten wir meine Lebensretterin, worüber ich sehr froh war. Carla erklärte uns beim Frühstück, dass sie sich Hals über Kopf in einen der Holländer bei Signor Lapi verliebt habe und uns heute noch verlassen werde, um mit ihm auf eine Wanderung rund um Sizilien zu gehen. Ich war mir sicher, dass es ihr spätestens fünf Kilometer hinter Catania zu langweilig werden würde, zumal sie in ihren Designerklamotten und auf ihren Highheels wirklich nicht wie die geborene Wanderin wirkte. Aber ihr Weggang bedeutete, dass ein Zimmer frei würde und die gute Simona wieder zurückkehrenmüsste – es gab keinen Grund mehr, eine weitere Nacht in Paolos Haus zu verbringen.
Jakob war die Enttäuschung über Carlas Abschied anzusehen, Ole hingegen freute sich, Simona für die letzten Tage wieder in seiner Nähe zu haben. Dass beide Männer vergeblich auf ihre Chance bei den Italienerinnen gehofft hatten, tat hierbei nichts zur Sache. Das Thema Amore in Italien spielte sich für die Deutschen offensichtlich zu einem nicht geringen Teil in ihrer Phantasie ab.
Charly schüttelte nur den Kopf über meinen Vergleich zwischen ihr und Carla. »Allein schon diese Haare!«, meinte sie. »Warum hat sie bloß niemand davon abgehalten, sie rot zu färben? Das sieht ja grausam aus!«
Ich verschwieg, dass Carla sich für die Frisur meinen Haarschopf zum Vorbild genommen hatte. Und ich war froh, die Original-Charly bei mir zu haben, auch wenn sie den Tag mit Marc beim Vulkan verbringen würde, während ich mit Malte & Co. Außenaufnahmen eines Agriturismo bei Messina machen würde. Auch den Abend würden wir getrennt verbringen, denn ich hatte ja mein Date mit Paolo, das mir einen unruhigen Magen bescherte.
Viel zu früh erreichte ich das große Zufahrtstor mit dem ersten der unzähligen Verbotsschilder. Sicher war Paolo noch nicht da, er hatte ja ausdrücklich gesagt, dass er erst ab acht Uhr abends Zeit habe. Ich stellte das Rad ab, öffnete das Tor und schaute mich nach Enzo um, doch auch der Hund war nirgends zu sehen. Stattdessen erkannte ich den silbernen Maserati vor dem Haus. Mich schauderte.Also war der unangenehme Typ, dieser Mafioso, mit dem Paolo offenbar Ärger hatte, schon wieder da.
Tatsächlich traten Paolo und er gerade durch die Tür, als ich ums Haus herum kam. Enzo wich seinem Herrchen nicht von der Seite, und beide Männer hatten versteinerte Mienen. Worum es wohl bei ihren seltsamen Treffen ging?
»Guarda chi si rivede! Aha, die deutsche Freizeitbäuerin«, sagte der Mann, als er mich sah, und lächelte spöttisch. »Ich wusste doch, jeder hat einen wunden Punkt!«
»Was meint er damit?«, fragte ich Paolo, als der Mann ins Auto stieg und davonfuhr.
»Niente, der redet Schwachsinn«, antwortete Paolo schroff. »Ich hab doch gesagt nicht vor acht.«
»Entschuldige, ich hatte Rückenwind«, sagte ich, und Paolos Miene wurde wieder etwas freundlicher. Er küsste mich rechts und links auf die Wange zur Begrüßung, und Enzo stellte das Knurren ein und schleckte mir die Hand.
»Wer ist dieser Mann?«, fragte ich. »Hast du Probleme mit ihm?«
»Ma no«, wehrte Paolo ab. »Das ist nur einer, der sich wichtig machen will.«
»Vom Bauamt?«, fragte ich.
Paolo sah mich erstaunt an. »Wie kommst du denn darauf?«
»Ich hab euch damals gesehen, als ihr vor dem Amt in Messina gestritten habt, du und ein paar andere Männer. Das sah ziemlich bedrohlich aus.«
»Sieh mal einer an, du bist ja eine kleine investigatrice«, grinste Paolo. »Non farti troppi pensieri, mach dirnicht zu viele Gedanken, ich habe nur eine kleine Meinungsverschiedenheit mit diesen Leuten, und am Ende werden wir sehen, wer den längeren Atem hat. So, nun komm herein, wir wollen doch einen schönen Abend haben.«
Und den hatten wir. Ich vergaß den Zwischenfall mit dem düsteren Typen und genoss die Aufmerksamkeit, die ich nun von Paolo bekam. Von Minute zu Minute wurde die Atmosphäre entspannter.
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