Amore siciliano
Ich half Paolo beim Zubereiten der Speisen und bewies damit, dass deutsche Frauen das Kochen keinesfalls verlernt hatten, wie er anfangs noch witzelte.
Bislang war er immer etwas unnahbar gewesen, so dass er dem Klischeebild des verführerischen Italieners in keiner Weise entsprochen hatte. Heute war alles anders. Er war alles, was man sich wünschen konnte, charmant, witzig, aufmerksam, und wenn sich unsere Hände wie zufällig berührten, hielt er einen Moment inne und betrachtete mich, als sähe er mich das erste Mal. Seine grünen Augen leuchteten dabei auf eine ganz neue Weise, die einfach unwiderstehlich war. Immer wieder erwischte ich mich dabei, wie auch mein Blick an ihm hängenblieb. Ich versuchte, mich zusammenzureißen, und ihn nicht allzu offensichtlich anzuschmachten, doch das fiel schwer.
Wir begannen mit Carciofi alla Messinese, Artischocken, als Antipasto. Als primo piatto gab es Tagliolini al limone, für das secondo hatte Paolo eigentlich frischen Thunfisch geplant gehabt, aber als er hörte, dass ich mich vegetarisch ernährte, disponierte er kurzfristig um undzauberte aus dem Tiefkühlfach Miesmuscheln hervor. Muscheln zählten nicht, davon war ich mittlerweile überzeugt. Es war etwas anderes, als einer kleinen Garnele Kopf und Schwanz abzureißen, und eine Muschel hatte auch keine kleinen schwarzen Punktaugen, mit denen sie mich vorwurfsvoll anschauen konnte.
»Bastano pochi ingredienti, ein Italiener braucht nicht viele Zutaten, um gut zu kochen«, bestätigte Paolo Nonna Margheritas Meinung. »Frisches Gemüse wie Tomaten, Gewürze und dann eben Meeresfrüchte oder Fleisch – così è perfetto.«
Ich hobelte Parmesan und stückelte Tomaten für Bruschetta, während Paolo die Tagliolini und die Muscheln zubereitete. Zum Nachtisch hatte er Frutta di Martorana, die berühmten sizilianischen Marzipanfrüchte, besorgt. Dazu gab es natürlich köstlichen sizilianischen Weißwein und zum dolce den unerlässlichen Espresso.
Ich war pappsatt, als wir alles aufgegessen hatten. Statt den Abwasch zu machen, nahm Paolo die offene Flasche Wein und schlug einen Spaziergang vor. Es konnte nicht schaden, sich etwas zu bewegen, und die laue Frühlingsluft war herrlich. Wir gingen durch den Gemüsegarten in die Olivenplantage und schauten von einer Anhöhe aus Richtung Tyrrhenisches Meer.
»Che bello il mare. Das Meer ist Siziliens großer Vorratsschrank, hier fangen wir die Fischsorten und Meeresfrüchte, die unsere Küche so berühmt gemacht haben. Selbst wenn wir bei den Oliven mehrere Missernten in Folge hätten, blieben uns immer noch die Meere, die uns umgeben. Außer ein paar tunesischen Fischern sind hierfast nur italienische Boote unterwegs. Und du magst wirklich keinen Fisch?«
»Ich mag ihn schon«, sagte ich. »Aber ich möchte nicht, dass für meine Ernährung Tiere getötet werden, und ich finde es schrecklich, dass die Meere leergefischt werden, damit die Menschen ihr Lachsfilet essen können.«
»Non ti capisco, ich verstehe euch Vegetarier nicht«, seufzte Paolo.
»Stört es dich denn gar nicht, wenn du deine Wachteln am Ende des Jahres schlachten lässt?«
»Come? Wieso schlachten lassen? Ich mache das selbst. Ich esse sie ja auch selbst, wobei ich natürlich einen Teil an meine Nachbarn verkaufe oder gegen Brot oder Käse tausche. Das hat schon mein Vater so gemacht. Wenn wir nicht vorhätten, sie zu essen, würden wir sie gar nicht erst halten und züchten. Für uns sind es Nutztiere.«
»Ich finde es schrecklich, wenn man sich anschaut, wie mancherorts mit den sogenannten Nutztieren umgegangen wird«, sagte ich. »Ich wünschte, jeder würde sie so halten wie du.«
»Aha«, Paolo lächelte wieder spöttisch.
»Was soll das heißen, ›aha‹?«
»No, niente, ich finde es toll, dass du so überzeugt für deine Ideale eintrittst, und ich respektiere es, dass du keine Tiere essen willst. Massentierhaltung gefällt hier niemandem, deshalb gibt es so viele Agriturismi – so können die Leute nicht nur mit der Landwirtschaft, sondern auch mit dem Tourismus Geld verdienen, die Region wird gestärkt, und gleichzeitig weiß hier jeder, woherkommt, was man isst. Aber leider ist es nicht allen Menschen möglich, so zu leben.«
Damit hatte er nicht unrecht. Ich beschloss, mich auf keine endlosen Diskussionen über das Vegetariertum einzulassen – das brachte ohnehin nichts, und Debatten dieser Art würde ich zukünftig Rechthabern wie Malte überlassen. Stattdessen würde ich den
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