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Amputiert

Amputiert

Titel: Amputiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gord Rollo
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vollbracht hatte, reichte an ein Wunder heran, das mir die Sprache verschlug, je mehr ich darüber nachdachte. Ich hatte unzählige Fragen, die ich stellen wollte, nur schien ich nicht die richtigen Worte zu finden, um damit anzufangen. Anscheinend hatte sich das, was wir gesehen hatten, auf meine körperteilspendenden Mitstreiter ähnlich ausgewirkt. Ihre Mienen widerspiegelten dieselben gemischten Gefühle aus Grauen, Ungläubigkeit, Akzeptanz, Neugier und Faszination, die ich empfand. Es war Drake, der schließlich das Schweigen brach.
    »Brauchen Sie mich noch, Sir?«, fragte er seinen Boss.
    »Äh ... nein, Mr. Drake. Sie können gehen, wenn Sie möchten. Sehen Sie doch bitte nach, wie weit der Koch mit dem Essen ist. Ich beantworte noch eben etwaige Fragen unserer Gäste, dann treffen wir uns im Esszimmer.«
    Drake nickte und eilte ohne ein weiteres Wort aus dem Raum. Vielleicht spielten mir meine Augen einen Streich, weil sie sich erst wieder an das grelle Licht gewöhnen mussten, aber ich war ziemlich sicher, dass sich Drakes Jogginghose vorne gewölbt hatte, als habe er eine Erektion. War das möglich? Ich fand es unvorstellbar, dass jemand das, was wir gesehen hatten, auch nur im Entferntesten als erregend empfinden könnte. Unglaublich, ja, aber erotisch – keine Chance. Drake müsste völlig krank sein, wenn ihn so etwas aufgeilte ...
    »Fragen, meine Herren?«, erkundigte sich Dr. Marshall und riss mich aus meinen düsteren Gedanken. »Nur zu. Es möchte doch bestimmt jemand etwas fragen, oder?«
    »Waren diese Dinger echt ?«, meldete sich Rolli zu Wort, der geistesabwesend den Stumpf seines fehlenden Beins kratzte.
    »Dinger?«, hakte der Doktor mit leicht ironischem Unterton nach. »Die Körperteile? Selbstverständlich waren sie echt. Ich sollte mich entschuldigen. Ich habe unterschätzt, wie schockierend all das aussehen muss. Aber ich habe Sie gewarnt, dass dieses Video etwas explizit sein würde.«
    Beinah wäre ich in Gelächter ausgebrochen. Das musste die Untertreibung des Jahres sein. Es war, als behauptete man, der Ozean sei etwas feucht.
    »Wie um alles in der Welt haben Sie das gemacht?«, staunte Rotbart. »Wie erhalten Sie die am Leben?«
    »Das ist die Millionenfrage, nicht wahr? Das ist immer der Kern des Problems gewesen. Schon seit Jahren sind Chirurgen in der Lage, abgetrennte Gliedmaßen wieder zu befestigen; das Problem sind immer die Nerven gewesen, die absterben und nicht mehr funktionieren. Es ist sinnlos, jemandem den Arm wieder anzunähen, wenn er nur nutzlos am Körper hängt. Es werden schon Fortschritte erzielt, und manchmal haben Chirurgen Glück, sodass sich die Funktionstüchtigkeit zu achtzig bis neunzig Prozent wieder einstellt. Meist jedoch erlangen die Patienten nur dreißig bis vierzig Prozent der ursprünglichen Fertigkeit zurück.
    Ist das ausreichend? Ich für meinen Teil sage nein. Mein Ziel sind von jeher hundert Prozent gewesen. Meine Patienten werden die vollständige Verwendungsfähigkeit und Kontrolle über ihre beschädigten Gliedmaßen erreichen. Das ist eine hochgegriffene, ja, manche würden sagen, eine arrogante Behauptung, trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass sie realistisch ist.
    Der Trick besteht darin, zu verhindern, dass die Nerven absterben. Das ist zwar leichter gesagt, als getan, gehört aber nicht mehr ins Reich der Fantasie. Sie müssen wissen, das menschliche Nervensystem besteht aus Milliarden und Abermilliarden einzelnen Nervenzellen, die alle in Reihen angeordnet sind wie ... wie eine Marschkapelle. Kein besonders toller Vergleich, aber er funktioniert. Wenn der Kapellmeister, mit anderen Worten das Gehirn, vom Trompetenspieler eine bestimmte Melodie hören will, teilt er das der ersten Nervenzelle in der Kolonne mit. Dieses erste Glied in der Kette gibt das Ersuchen an die nächste weiter, bis der Trompetenspieler die Nachricht erhält und damit beginnt, das gewünschte Lied zu spielen, oder, in menschlichen Begriffen, bis der Fuß zu gehen, sich der Finger zu krümmen anfängt oder was auch immer. Verstehen Sie?
    Wenn nun eine der Nervenzellen beschädigt oder tot ist, kann die Botschaft vom Gehirn nicht richtig weitergeleitet werden. Wir haben einen Weg gefunden, das zu beheben. Allerdings gibt es einige Faktoren, die entscheidend dafür sind, dass es funktioniert. Einer davon ist Zeit. Die abgetrennte Gliedmaße darf nicht einfach herumliegen. Ein weiterer Faktor ist Blut. Es muss so rasch wie möglich eine ununterbrochene

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