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Amputiert

Amputiert

Titel: Amputiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gord Rollo
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ihm sein würde. Vielleicht war der große Kerl doch Andrews Arzt gewesen. Oder sein Krankenpfleger. Nicht, dass es eine Rolle gespielt hätte; ich konnte selbst sehen, dass der Fernseher ausgeschaltet war und Andrew sich nicht rührte. Er schlief, also sollte ich besser verschwinden, bevor ich ihn störte.
    Zwei Schritte von der Tür entfernt erlangte meine Neugier die Oberhand. Ich wollte unbedingt einen näheren Blick auf Andrew werfen und sehen, wie es seinem Vater gelungen war, all die bunten Drähte am lebendigen Gewebe seines Sohns zu befestigen. Tief in meinem Inneren war mir klar, dass ich mich wie ein Oberarsch benahm. Andrew war kein Darsteller einer Freakshow, bei der die Leute einen Dollar bezahlten, um mit den Fingern auf ihn zeigen und über ihn lachen zu können – er war ein kranker, unglücklicher Mann, dessen Leben vom Tag seiner Geburt an die Hölle auf Erden gewesen sein musste. Ich hätte zumindest so viel Anstand besitzen können, ihn in Ruhe schlafen zu lassen, doch ich ertappte mich dabei, wie ich mich langsam seinem Bett näherte.
    Es fühlte sich unheimlich an, herumzuschleichen, echt unheimlich, als wäre ich ein tollpatschiger Amateureinbrecher, der versuchte, Mut zu sammeln, bevor er seine erste Brieftasche von einem Nachttisch stahl. Das Beste, was ich tun konnte, wäre, mit dem Unsinn aufzuhören, einfach zum Bett zu gehen und einen Blick auf Andrew zu werfen. Was sollte es, wenn er dabei aufwachte? War ich nicht ohnehin hergekommen, um mich ihm vorzustellen?
    Bring’s hinter dich, Mann.
    Ich hörte auf meinen eigenen Rat, gab es auf, wie ein Trottel zu schleichen, und trat an Andrews Bett. Dr. Marshalls Sohn bildete lediglich einen kleinen Klumpen mitten auf der großen Krankenhausmatratze. Die eng anliegende Sauerstoffmaske, die er trug, verbarg sogar sein Gesicht vor mir. Also, ich bin kein Arzt, und niemand hat mir je vorgeworfen, ein Genie zu sein, trotzdem erkannte ich auf Anhieb, dass an dem Bild etwas nicht stimmte. Obwohl Dunkelheit herrschte, drang durch das nahe Fenster genug Mondlicht herein, um deutlich zu sehen, dass Andrew nicht atmete. Ganz gleich, wie fest eine Person schläft, man kann mitzählen, wie oft sie atmet, indem man den sich hebenden und senkenden Brustkorb beobachtet – sogar bei Menschen, die im Koma liegen. Andrews Brust rührte sich unter der dünnen Wolldecke nicht.
    O mein Gott ... er ist tot.
    Als erster Gedanke schoss mir durch den Kopf – und ich muss zugeben, nicht besonders stolz darauf zu sein: Scheiße. Da gehen meine zwei Millionen dahin. Jetzt wird Dr. Marshall die Kohle bestimmt nicht mehr ausspucken. Nicht, wenn ...
    Dann schaute ich zurück und bemerkte die Videoschirme an der Wand. Jeder Einzelne zeigte Andrews verschiedene Lebensfunktionen als völlig normal an. Puls, Blutdruck, Körpertemperatur, Sauerstoffsättigung; alles lag im normalen Bereich. Ich richtete die Aufmerksamkeit wieder auf den Mann im Bett und beugte mich vor, um seine Brust besser sehen zu können. Nichts. Rein gar nichts.
    Schließlich ergriff ich einen Zipfel der Wolldecke und zog sie langsam beiseite, um diesem sonderbaren Rätsel auf den Grund zu gehen. Ich erkannte das Problem sofort, erfuhr dabei jedoch einen der größten Schocks meines Lebens. Der Grund, weshalb Andrew nicht atmete, war, dass Andrew nicht existierte. Unter der Sauerstoffmaske und der Decke lag in dem Krankenhausbett eine Plastikattrappe – eine Schaufensterpuppe ohne Arme und Beine.
    »Was, zur Hölle, ist hier los?«, stieß ich hervor, nicht mehr darauf bedacht, niemanden zu wecken.
    Als ich mich nach Antworten umsah, fand ich keine. Die Monitore zeigten weiter ihren Unsinn an, dass alles normal sei. Die unzähligen bunten Drähte – die angeblich an Andrews Nervenleitungen befestigt waren – schlängelten sich quer durch das Zimmer, endeten jedoch in vier verworrenen Knoten, die unter den Laken verborgen lagen. Es war verrückt. Die gesamte Anordnung war nichts weiter als ein großer Schwindel, eine geschickt gestaltete List, doch mir wollte einfach kein Grund dafür einfallen. Warum sollte Dr. Marshall so etwas tun?
    Bevor ich mir weiter den Kopf darüber zerbrechen konnte, hörte ich in einem nahen Zimmer die Spülung einer Toilette. Fragen Sie nicht, woher, aber ich wusste instinktiv, dass es der große Kerl mit den strähnigen Haaren gewesen sein musste, den ich vor wenigen Minuten gesehen hatte. Kein Arzt. Kein Krankenpfleger. Ein Mitglied von Drakes Sicherheitstruppe, das eine

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