Amputiert
Pause dabei einlegte, Zimmer 301 vor neugierigen Blicken zu bewachen. Der Mann sollte hier sein und dafür sorgen, dass niemand hereinzukommen versuchte, aber er war weggegangen, um dem Ruf von Mutter Natur zu folgen, eine Zigarette zu rauchen oder sich die Beine zu vertreten. Ich war bloß zufällig zum richtigen Zeitpunkt aufgetaucht. Pures Glück.
Vielleicht irrte ich mich, aber ich hatte nicht vor, lange genug zu bleiben, um es herauszufinden. Ich vertraute meinen Instinkten, wollte auf Nummer sicher gehen und rannte zur Tür. Im Laufschritt eilte ich durch den Flur und ließ die Badezimmertür in dem Moment hinter mir, als sie begann, sich zu öffnen. Der Sicherheitstyp erhaschte nur einen Blick auf meinen Rücken, bevor er mir nachrief, ich solle anhalten. Von wegen . Ich rannte wie der Wind, pumpte mit den Armen, als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter mir her.
Ich hörte, wie der Sicherheitsmitarbeiter – mittlerweile war ich überzeugt davon, dass er das war – jemand anderem hektisch Befehle zurief. Wahrscheinlich benutzte er ein Walkie-Talkie, um Drake oder einen Kollegen zu kontaktieren. Ich schaute nicht zurück, um es herauszufinden. Stattdessen schaltete ich den Turbo dazu und raste um die Ecke, die zu den Gästezimmern führte. Ein Moment der Panik ereilte mich, als ich im Laufen versuchte, meinen Zimmerschlüssel aus der Hosentasche zu kramen, aber es gelang mir rechtzeitig, ihn hervorzuziehen. Mein Vorsprung reichte mit Müh und Not, um es ungesehen ins Zimmer zu schaffen, die Tür hinter mir zu verriegeln und das Licht auszuschalten, bevor ich draußen schwere Schritte vorbeirennen hörte, die sich weiter den Flur hinab fortsetzten.
Verdammt! Das war knapp.
Als ich mich auszog und zurück ins Bett stieg, musste ich unweigerlich an das denken, was ich gerade gesehen hatte. Ich ging die Ereignisse der letzten Stunde durch und versuchte, einen Sinn in ihnen zu erkennen, hatte dabei jedoch wenig Glück.
Es klopfte an der Tür, und bevor mein Herz Gelegenheit hatte, aus der Brust zu springen, stürmte Drake in mein Zimmer, ohne darauf warten, hereingebeten zu werden. Offensichtlich hatte er einen eigenen Schlüssel. Er trug einen dunkelgrünen Bademantel und Laufschuhe. Seinem Gesichtsausdruck nach überraschte es ihn, mich im Bett liegen zu sehen. Ich wusste auf Anhieb, dass er mich als den Übeltäter ins Auge gefasst gehabt hatte, aber sein großer, schmieriger Handlanger hatte ihm wahrscheinlich mitgeteilt, der Verdächtige sei noch auf der Flucht. Drake hatte gedacht, er würde mein Zimmer leer vorfinden; dadurch hätte er die Bestätigung erhalten, dass es eindeutig ich gewesen war, der den Aufruhr verursacht hatte. So wusste er nicht, was er denken sollte.
»Mike, geht es ... geht es dir gut?«, fragte er.
Er wirkte betreten, und es stand dem Mistkerl gut zu Gesicht. Ich hatte nicht vor, ihn vom Haken zu lassen. Er sollte glauben, dass jemand anderer die Flure durchstreift hatte. Mit anderen Worten, er sollte woanders einem Phantom nachjagen.
»Was soll das, Drake? Herrgott, Sie haben mich zu Tode erschreckt. Was ist denn los?«
»Nichts, Mike. Wir hatten eine Brandmeldung im zweiten Stock. Ich wollte nur nach dem Rechten sehen. War natürlich falscher Alarm. Schlaf weiter. Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe.«
Damit verschwand er, verwirrter und wütender als zuvor. Ich konnte das nachvollziehen. Ich fühlte mich selbst ziemlich verwirrt und wütend. Es ergab einfach keinen Sinn. Also lag ich da und starrte an dieselbe Decke wie vor weniger als sechs Stunden, als ich mich als glücklicher, zufriedener Mann zu Bett begeben hatte. Nur eine einzige Frage wirbelte in dem Unwetter umher, das sich in meinem Kopf zusammenbraute: Wenn uns Dr. Marshall über seinen angeblich invaliden Sohn belog, worüber mochte er dann noch die Unwahrheit sagen?
Kapitel 12
Es heißt, das Frühstück sei die wichtigste Mahlzeit des Tages. Das mag sein, aber es ist auch die nervenaufreibendste, wenn man dabei versucht, ein Pokergesicht zu wahren, während dem Gastgeber bekannt ist, dass jemand am Tisch mehr weiß, als er zugibt.
»Und wie haben Sie geschlafen, Mike?« Dr. Marshalls Tonfall klang unbeschwert und beiläufig, seine Augen hingegen wirkten düster und bohrend.
Er weiß, dass der Eindringling letzte Nacht einer von uns gewesen sein muss, und er ist klug genug, um es auf zwei Personen eingeschränkt zu haben. Der schmierige Wächter hat jemanden aus Zimmer 301 weglaufen gesehen –
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