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Amputiert

Amputiert

Titel: Amputiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gord Rollo
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laufen, wohlgemerkt –, und da Rotbart und Rolli an den Rollstuhl gefesselt sind, sind sie aus dem Schneider. Somit bleiben entweder Bill Smith oder ich. Er mustert mich, testet mich, um zu sehen, ob ich einknicke.
    »Ich? Prima. Wieso?«, gab ich zurück.
    »Oh, kein bestimmter Grund. Ich bin nur froh, dass Mr. Drake Sie nicht zu sehr gestört hat, das ist alles. Es tut mir leid, dass er Sie derart überfallen hat.«
    Ich nickte, zuckte mit den Schultern und griff mir einen weiteren Blaubeerpfannkuchen vom Silberteller vor mir. Ich war nicht mehr hungrig, hatte bereits genug gegessen, aber ich brauchte Zeit zum Nachdenken, und mir etwas in den Mund zu stopfen, erschien mir eine wirksame Möglichkeit, mich nicht unterhalten zu müssen. Zum Glück befand ich mich nicht allein am Tisch. Neben Dr. Marshall und Drake waren alle vier Spender anwesend. Ich hatte mich geirrt, als ich dachte, die anderen drei Partylöwen würden den Vormittag verschlafen. Ich hätte wissen müssen, dass keiner der Penner je freiwillig eine kostenlose Mahlzeit auslassen würde, ob sie nun einen schlimmen Kater hatten oder nicht. Ich konzentrierte mich darauf, zähflüssigen Ahornsirup auf meinem Pfannkuchen zu verteilen, und beschloss, eine Weile ihnen das Reden zu überlassen.
    Vielleicht sollte ich einfach gestehen, dass ich vergangene Nacht in Andrews Zimmer gewesen war, und den Doktor gleich hier vor allen anderen mit dem konfrontieren, was ich dort gesehen hatte. Sollte Dr. Marshall einen triftigen Grund dafür haben, uns wegen seines imaginären Sohns zu belügen, wollten ihn bestimmt alle hören.
    Natürlich würde ich das nicht tun. Ich war nicht so dämlich. Das Letzte, was ich wollte, war, die Karten auf den Tisch zu legen. Warum auch? Offensichtlich waren die nicht ehrlich zu mir, warum also sollte ich es zu ihnen sein? Nein, es wäre viel besser – und klüger – die Klappe zu halten und abzuwarten. Ich musste herausfinden, was für ein Spiel Dr. Marshall trieb, bevor ich meinen nächsten Schritt unternehmen konnte.
    Falls die rührselige Geschichte über Andrew ein harmloses Ablenkungsmanöver war, damit wir uns besser dabei fühlten, unsere Gliedmaßen zu spenden, fein. Damit konnte ich leben. Aber falls hier etwas anderes vor sich ging, etwas Finstereres als das rosa Bild, das man für uns malte, dann hatte ich vor, still und leise zur Hintertür hinaus zu verschwinden, ehe jemand Wind davon bekam, dass ich Lunte gerochen hatte.
    Doch das war das eigentliche Problem. Trotz allem, was ich gesehen hatte, und trotz allem, was ich wusste, hatte ich immer noch keine Ahnung, wie sich die Lage hier entwickeln würde. War ich auf eine Goldgrube gestoßen oder in eine gefährliche Falle getappt? Sollte ich bleiben und das Risiko eingehen, oder mich davonschleichen und das Geld sausen lassen? Eine harte Entscheidung, aber da Dr. Marshall und Drake nicht wissen konnten, wer von uns in Andrews Zimmer gewesen war – natürlich konnten sie raten, aber sie konnten nicht sicher sein –, erschien es mir gefahrlos zu sein, noch eine Weile zu bleiben. Gefahrlos, solange ich meine große Klappe geschlossen und Augen und Ohren weit geöffnet hielt.
    Das war natürlich leichter gesagt als getan. Als ich von meinem Teller aufschaute, sah mich Drake so eindringlich an, dass ich beinah blaue Flecken davon bekam. Unsere Blicke trafen sich, und ich erkannte, dass er versuchte, mich einzuschüchtern, mich zu brechen, indem er mich in Grund und Boden starrte. Und es funktionierte auch noch. Es fiel mir entsetzlich schwer, den Blickkontakt mit diesem halb zivilisierten Neandertaler aufrechtzuerhalten, und ich wusste, wenn ich zuerst wegschaute, würde Drake die Schuld in meinen Augen sehen. Also ließ ich mir rasch etwas einfallen, das ich zu ihm sagen konnte, um seine Aufmerksamkeit abzulenken.
    »Und? Konnte der Brand gelöscht werden?«
    Ohne den Blickkontakt abzubrechen, antwortete Drake: »Es gab keinen Brand. Ich habe dir ja schon heute Morgen gesagt, dass es falscher Alarm war.«
    Nun starrte er mir regelrecht in den Hals – und Dr. Marshall ebenso. Beide beugten sich tatsächlich auf den Stühlen vor und schienen über mir zu schweben wie Raubvögel, bereit, die Flügel anzulegen und auf ihre Beute herabzustoßen.
    Scheiße, Scheiße, Scheiiißeee! Was sollte ich nur tun?
    »Brand? He, wovon redet ihr da?«
    Es war Rotbart, der sich ins Gespräch mischte, als er gerade eine Pause dabei einlegte, sich ganze Würstchen in den höhlenartigen Mund

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