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Amputiert

Amputiert

Titel: Amputiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gord Rollo
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die Zimmernummer konnte ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Jedenfalls schaffte ich es ins Bett, schaltete das Licht aus und aalte mich eine Weile selig im Alkoholdunst.
    »Ich bin Millionär!«, jubelte ich. »Ein gottverdammter Millionär. Ich kann’s nicht glauben. Juhuuu! «
    Ich lachte und lachte und bekam mich kaum mehr in den Griff. Es war eine der besten Nächte meines gesamten Lebens.
    Unglaublich!
    Ich schmiegte mich in das wunderbar weiche Kissen und glitt so mühelos ins Traumland wie ein Baby, das sich an den Busen der Mutter kuschelt. So behaglich und rundum zufrieden mit dem Leben hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.

Kapitel 11
    So behaglich und zufrieden ich mich fühlte, ich konnte nur bis sieben Minuten nach vier Uhr schlafen. Ich musste dringend pinkeln, und als ich ins Bett zurückkehrte, bemühte ich mich redlich, wieder einzuschlafen. Es sollte nicht sein.
    Durch all den Alkohol, den ich getrunken hatte, ging es mir dreckig, und mein Herz pochte, als hämmere zwischen meinen Ohren jemand auf eine Basstrommel ein. Ob es mir gefiel oder nicht, ich war hellwach. Statt herumzuliegen und leidend an die Decke zu starren, beschloss ich, dass ich mich ebenso gut anziehen und versuchen konnte, eine Tasse Kaffe aufzutreiben.
    Fünfzehn Minuten später durchwühlte ich auf der Suche nach Kaffee die Küchenschränke. Die Kaffeemaschine, die auf der schimmernden Arbeitsplatte aus Edelstahl stand, hatte ich mühelos entdeckt, aber ich konnte keinen Kaffee dafür finden. Bei der zweiten Durchsuchung stieß ich auf ein Glas Nescafé Pulverkaffee und erhitzte in einem Topf am Ofen Wasser. Nach einer großen, doppelstarken Tasse mit Obers fühlte ich mich wieder mehr oder weniger menschlich.
    Ich fragte mich, wann sich Rotbart und die anderen ins Bett verdrückt hatten. Man konnte getrost davon ausgehen, dass es ihren Köpfen deutlich schlimmer als meinem gehen würde, wenn sie letztlich aus den Laken krochen. Ich vermutete – und glauben Sie mir, ich spreche aus Erfahrung –, dass die anderen Spenderjungs nicht vor dem Mittagessen auftauchen würden.
    Aber was bedeutete das für mich? Was sollte ich tun? Es war noch nicht einmal fünf Uhr morgens, und ich war vermutlich die einzige bereits wache Person in der Klinik. Andererseits vielleicht auch nicht. Mir fiel ein, dass Dr. Marshall uns mitgeteilt hatte, sein Sohn schlafe fast den ganzen Tag, sei aber die Nacht hindurch munter und sähe fern. Vielleicht wäre es ein günstiger Zeitpunkt, um hinaufzugehen und mich ihm vorzustellen. Ich war sicher, er würde sich über Gesellschaft freuen. Sollte er schlafen, konnte ich immer noch wieder aus dem Zimmer schleichen, ohne ihn zu stören.
    Also lief ich die Treppe hinauf, nahm zwei Stufen auf einmal. Überrascht stellte ich fest, wie aufgeregt ich mich durch die Aussicht darauf fühlte, Andrew kennenzulernen. Teilweise rührte das wohl von Neugier her, weil ich mich fragte, wie es sein musste, ständig in diesem Krankenbett zu liegen, überwiegend jedoch wollte ich den armen Mann wegen seiner Hemmungen beruhigen, unsere gespendeten Gliedmaßen anzunehmen. Ja, ich wollte das Geld, aber ich verspürte auch das echte Bedürfnis, Andrew zu erklären, dass ich an seinen brillanten Vater glaubte und mich aufrichtig darüber freute, ihm helfen zu können. Wahrscheinlich würde er denken, ich redete Quatsch, aber ich konnte es zumindest versuchen.
    Als ich den Flur im zweiten Stock erreichte, erhaschte ich einen flüchtigen Blick auf einen großen Mann, der vor mir um die Ecke bog und sich von Andrews Zimmer entfernte.
    Einer von Andrews Ärzten?
    Ich spielte mit dem Gedanken, nach dem Mann zu rufen, doch ich wollte niemanden unnötig wecken. Hastig lief ich zu der Ecke und sah gerade noch, wie der große Kerl in ein anderes Zimmer einige Türen weiter den Flur hinab verschwand. Allerdings erinnerte mich der Anblick des Mannes an keinen Arzt, den ich je gesehen hatte. Dafür war er zu groß und kräftig, fast wie Drake, und sein Haar war lang, strähnig und ungekämmt.
    Zimmer 301 erwies sich als unversperrt. Ich öffnete die Tür, ohne anzuklopfen, und trat leise ein. Andrew lag verpackt in seinem Bett und wirkte genauso klein und mitleiderregend wie am Vortag. Über die Computermonitore und Videoschirme flimmerten verschiedene elektronische Daten, aber mich bestürzte, dass sich niemand im Raum befand, der den Patienten und die Ausrüstung überwachte. Ich hätte vermutet, dass irgendjemand bei

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