Amputiert
sein.
Tatsächlich geriet die Tür zur Treppe in Sicht, und als ich nach rechts schwenkte und durch sie ins Treppenhaus preschte, war mir Dr. Marshall bereits so nah heran, dass er die Kurve nicht rechtzeitig schaffte. Er stach wild mit dem Messer nach mir, als sein Rollstuhl wie ein römischer Streitwagen an dem offenen Durchgang vorbeiraste, aber er hatte schlecht gezielt.
Ich wollte nicht unbedingt herumstehen und ihm eine zweite Chance geben, also setzte ich mich die gewundene Treppe hinab in Bewegung, kam jedoch jäh zum Stehen. Unter mir hörte ich von hinter der Biegung der Treppe Stimmen, zwei männliche, vielleicht auch drei. Ich konnte niemanden sehen und wusste daher nicht, ob es Wachleute, Ärzte, Labortechniker oder Darth Vaders Imperiale Sturmtruppen waren, aber um wen es sich auch handelte, diejenigen kamen eindeutig nach oben, und ich wollte ihnen nicht geradewegs in die Arme laufen. Um das zu verhindern, bestand meine einzige Chance darin, umzukehren und die Treppe hinauf statt hinunter zu fliehen. Vielleicht konnte ich mich im zweiten oder dritten Stock ein paar Minuten verstecken, bis die Männer, die sich von unten näherten, zu ihrem unbekannten Ziel gelangten. Sobald die Luft wieder rein war, konnte ich die Treppe wieder hinuntereilen und versuchen, es zur Vordertür zu schaffen.
Und ich lief hinauf; die panische Angst davor, erwischt zu werden, trieb mich an. Als ich um die Ecke zu dem ebenen Bereich bog, wo sich der Durchgang zum zweiten Stock befand, wurde mir allmählich klar, dass ich tiefer in Schwierigkeiten steckte, als ich gedacht hatte. Alle Türen in diesem Treppenhaus öffneten sich von den verschiedenen Gängen aus nach innen, und in meiner panischen Flucht vor Dr. Marshall hatte ich mir nicht überlegt, was genau das bedeutete.
Ich hatte keine Probleme damit gehabt, mit Körpereinsatz den Entriegelungsbügel nach unten zu drücken, um mir den Weg ins Treppenhaus zu rammen, aber um die Türen von dieser Seite aus zu öffnen, musste man die Hand auf einen Griff legen, eine kleine Schalttaste drücken und die Tür nach innen ziehen. Ohne Hände für den Griff – und offensichtlich ohne Finger für die Taste – bestand für mich keine Möglichkeit, eine der Türen zu öffnen und zurück in die Flure zu gelangen. Ich war gefangen und konnte nur weiter die Treppe erklimmen, bis sie zu Ende war. Wenn die Männer unter mir bis in den dritten Stock gingen, wäre ich im Arsch.
Ausnahmsweise hatte ich Glück. Ich hatte gerade den Weg in den zweiten Stock angetreten, als ich hörte, wie die Tür zum ersten aufgezogen wurde und die geheimnisvollen Stimmen meiner unsichtbaren Verfolger leiser wurden, als sie den mit Teppichen ausgelegten Korridor betraten. Ich hielt inne und lauschte, ob alle in den ersten Stock verschwunden waren oder ob vielleicht einer oder zwei weiter hinaufstiegen. Ich hörte ein lang gezogenes Quietschen, bei dem es sich um die zuschwingende Tür handeln musste, doch nachdem die Verriegelung eingerastet war, herrschte Stille. Keine Stimmen. Keine Schritte. Nichts.
Puh. Gott sei Dank!
Das hätte hässlich werden können, aber noch war alles in Ordnung. Da ich die Treppe nunmehr für mich allein hatte, brauchte ich es nur noch ins Erdgeschoss zu schaffen und zu hoffen, eine Möglichkeit zu finden, wie ich zur Eingangstür dieses schaurigen Ortes gelangen konnte. Vorsichtig ging ich die gewundene Treppe zurück hinunter und rechnete damit, jeden Moment eine der Türen aufschwingen zu hören. Als nichts geschah, wuchs meine Hoffnung. Ich konnte es doch noch nach draußen schaffen.
Dann bog ich um die Ecke zum Treppenabsatz im ersten Stock und erblickte Dr. Marshall, der zufrieden in seinem Stuhl saß, auf mich wartete und mir den Weg nicht nur mit seinem Körper, sondern auch mit dem großen Wellenschliffmesser auf seinem Schoß versperrte. Meine Füße verharrten wie angewurzelt, ließen mich mitten im Schritt innehalten. Ich hätte nicht überrascht sein sollen, dennoch war ich es. Hatte ich tatsächlich gedacht, er würde mich einfach davonspazieren lassen?
Idiot!
Als mich der irre Arzt erblickte, breitete sich ein animalisches Grinsen in seinem Gesicht aus, und in dem Moment, in dem sich unsere Blicke begegneten, war mir klar: Er wusste, dass ich in diesem Treppenhaus gefangen war und mein einziger Weg nach draußen über ihn führte.
Um mich zu piesacken, begann er, mit der großen Klinge zu spielen und damit imaginären Dreck unter seinen Fingernägeln
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