Amputiert

Mitte des Raums zugezogen war. Mit einem Zwinkern schob Drake diese Hälfte des schweren Stoffs an die Wand. Dahinter kam ein zweiter Glastank zum Vorschein, in dem ein zweiter Fleischanzug in seinem eigenen wässrigen Grab tanzte.
    Grundgütige Mutter Gottes!
    Die Glastanks und die unzähligen farbigen Drähte waren praktisch identisch, doch damit endeten die Ähnlichkeiten. Bill Smiths Körper sah vielleicht seltsam aus, wie er ohne Kopf in dem Tank schwebte, aber zumindest wirkte er noch relativ menschlich. Was sich in dem anderen Tank befand, ließ sich nur als grotesk beschreiben – ein Fleischanzug aus Teilen und Flicken mehrerer verschiedener Körper; Rumpf, Hände, Füße, Arme, Beine, Finger, Zehen – alles zu einer abscheulichen Parodie eines menschlichen Körpers zusammengenäht und -gestückelt.
    » Das ist Ihr Fleischanzug, Mr. Fox«, erklärte Dr. Marshall. »Ich habe ihn aus den Teilen verschiedener Experimente gefertigt, die ich noch herumliegen hatte. Eigentlich ist allein das an sich eine erstaunliche Errungenschaft – insgesamt wurden zwölf verschiedene Körperteilspender verwendet. Mit Ihrem Kopf und Rückgrat werden es dreizehn sein. Ein hübsches Bäckerdutzend. Ich weiß, dass er nicht so attraktiv ist wie der, den Andrew bekommen wird, aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Was meinen Sie?«
    Wieder setzte mein Verstand aus. Meine Gedanken kamen knirschend zum Stillstand. Während ich den monströsen Körper betrachtete, der schon bald meiner sein konnte, fiel mir nichts ein, das mir vielleicht helfen könnte, aus diesem Wahnsinn herauszukommen. Teils fasziniert, teils neugierig, vorwiegend jedoch entsetzt starrte ich auf den kopflosen, tanzenden Frankenstein und betete, ich möge sterben, bevor Dr. Marshall tun konnte, was er beabsichtigte.
    Gott erhörte mich nicht.
    »Mr. Drake«, sagte Dr. Marshall. »Bringen Sie Mr. Fox den Gang hinunter, ja? Operationssaal drei ist für uns vorbereitet.«
    »Mit Vergnügen, Sir«, erwiderte Drake. »Mit größtem Vergnügen.«

Kapitel 26
    Der Spiegel musste Drakes Einfall gewesen sein – seine kranke, bizarre Vorstellung von Humor, um meinen zerbrechlichen Verstand zusätzlich zu foltern. Doch statt mich endgültig zu brechen, wie er zweifellos gehofft hatte, machte mich das höchstens stärker. Es ersetzte meine Angst und Besorgnis durch die guten, alten Emotionen Hass und Verbitterung, und ich brauchte ein gewaltiges Maß an Wut, um die sinnlosen Erniedrigungen zu ertragen, die ich gezwungen wurde zu erdulden. Wut wurde mein Gefährte, mein Verbündeter, mein Retter.
    Als ich die Augen zum ersten Mal aufschlug, dachte ich, sie hätten mich in ein Zimmer mit Andrew gesteckt und uns so nah zusammengestellt, dass ich direkt in seinen gehetzten, blutunterlaufenen Augen starrte und seinen gezackten Halsansatz sah, von dem eine Unzahl von Drähten zum in der Flüssigkeit treibenden, zuckenden Rückgrat verlief. Aber als ich vollständig erwachte und mein Verstand etwas klarer wurde, erkannte ich die Augen, die Nase und die Kieferpartie der Person, die ich anglotzte, und mir fiel der zierliche Holzrahmen rings um das silberbeschichtete Glas auf. Ein Mann im Spiegel – es darf dreimal geraten werden, wer es war, die beiden ersten Versuche zählen nicht.
    Drake hatte den Spiegel offensichtlich nur deshalb aufgestellt, damit ich sehen konnte, was sie mir angetan hatten. Es reichte nicht, dass ich nur wusste, dass ich auf einen körperlosen Kopf samt Rückgrat reduziert worden war – er wollte, dass ich es mit eigenen Augen sah .
    Es ist unmöglich, die Abfolge von Emotionen zu beschreiben, die meine beschädigte Psyche in diesem Moment überschwemmten. Um Himmels willen, was soll man denken und fühlen, wenn man hinunterschauen und die Anzahl der Wirbel im eigenen Rückgrat zählen kann? Schock, Grauen, Traurigkeit, Verleugnung, Selbstmitleid, Angst oder Wahnsinn? Ja, all das erfuhr ich, aber wie gesagt, als ich wütend – nein, fuchsteufelswild – wurde, war das für mich der emotionale Rettungsanker, an dem ich mich verzweifelt festklammerte. Es war nicht viel, aber meine Rage war alles, was ich noch übrig hatte. Sonst wäre mir nur ein Hechtsprung aus meinem verfluchten Verstand geblieben.
    Ich wurde lange Zeit in Ruhe gelassen und starrte stumm auf die Überreste meines dezimierten Körpers. Dabei schwoll meine Wut unaufhörlich an, bis ich sicher war, dass mir Dampf aus den Ohren strömen musste. Ich konnte nicht einmal schreien. Glauben Sie