Amputiert
wollte, aber mal ehrlich – ich? Die NASA musste doch Besseres bekommen können. Im einen Moment befand ich mich an einem kalten, dunklen Ort – im Cockpit des Shuttles? – und hatte die Augen geschlossen, im nächsten drückte jemand den Startschalter, und als ich die Augen öffnete, erblickte ich eine Galaxie explodierender Planeten, feuriger Kometen und umherrasender Sterne; eine endlose Supernova greller Lichter und überzogener Farben, die einen wahrhaft ehrfurchtgebietenden Anblick boten.
Gibt es im Weltraum wirklich Regenbogen?
Natürlich war ich auf einem Trip; die blendende Lichtshow spielte sich nur in meinem Kopf ab. Mein Hirn war mit so viel Schmerzmitteln übersättigt, dass sie mir wahrscheinlich bei den Ohren herausquollen und auf das Kissen tropften. Monatelang war ich ein ausgewiesenes Mitglied der Sternenflotte und kehrte nur auf die Erde zurück, um Medikamente nachzutanken. Und das war gut so, denn die Schwerkraft schmerzte höllisch. Ich litt derart extreme Qualen, dass es sogar zu sehr schmerzte, Energie für Schreien zu vergeuden. Es fühlte sich an, als wäre mein Körper von einer Metallpresse zu Brei verarbeitet worden.
Später – viel später – erzählten mir Krankenschwestern mit steinernen Mienen, dass ich beim Aufwachen oft brüllte: »Schickt mich zurück. Schickt mich auf den beschissenen Mond zurück!« Und mit einem kurzen Druck auf den Kolben einer Spritze taten sie genau das – gesegnet seien ihre kalten kleinen Herzen.
Houston, wir haben ein Problem .
Und ob.
Kapitel 28
Manchmal sind Drogen etwas Wundervolles – sie besitzen die Macht, die Realität über einen unbestimmten Zeitraum zu verschleiern, ja sogar zu ändern . Aber ob es gut ist oder schlecht, alles vergeht, und so endeten letztlich auch meine Reisen zu den Sternen. Ich müsste durch meine fest zusammengebissenen Zähne hindurch lügen, wollte ich behaupten, dass ich sie nicht vermisste.
Ein aufgeputschter Astronaut zu sein, war wesentlich besser, als ein Monster zu sein. Und für mich bestanden keinerlei Zweifel daran, dass ich genau dazu geworden war – zu einem zusammengestückelten Albtraum aus dreizehn verstümmelten Menschen.
Vielleicht war ich mit dieser Einschätzung zu streng; immerhin musste man es als Schritt nach vorn betrachten, dass ich wieder einen Körper hatte und nicht mehr in dem mit Flüssigkeit gefüllten Glastank weilte, der mein Zuhause gewesen war, doch so sehr ich mich bemühte, diese Sicht der Dinge in meinen Schädel zu bekommen, ich konnte nicht ändern, was ich empfand.
Ich hätte tot sein sollen. Ohne Wenn und Aber. Der gesamte Fortbestand meiner Existenz war schlicht und einfach falsch .
Aber verdammt noch mal, ich war nicht tot.
Was also hieß das für mich? Nun, zum einen Schmerzen. Verdammt noch mal, litt ich Höllenqualen. Sie hatten nicht alle Schmerzmittel abgesetzt, so grausam waren die Krankenschwestern dann doch nicht. Ich bekam immer noch reichlich davon, aber sie hatten mit etwas begonnen, das sie als meine ›Ausschleichungsphase‹ bezeichneten. Anscheinend wollten die Entscheider, dass ich klar genug bei Verstand war, um mit dem nächsten Abschnitt meiner Folter beginnen zu können ... die Rehabilitation hieß.
»Stehen Sie gefälligst auf«, herrschte mich die Krankenschwester in scharfem, streitlustigem Tonfall an. Sie war eine pausbäckige, mürrische alte Matrone mit grauem Haar, das sie zu einem engen Dutt zusammengeknotet trug. Ein wenig erinnerte sie an die Sekretärin unten. Jedenfalls besaß sie dasselbe griesgrämige Gemüt. Ich hatte sie noch nie zuvor gesehen, und das waren die ersten Worte aus ihrem Mund, als sie mein Zimmer betrat. Kein ›Guten Morgen‹, kein ›Wie fühlen Sie sich heute‹, nichts dergleichen. Ein wirklich nettes Exemplar, soviel stand bereits fest. Wo fand Dr. Marshall nur solche Leute?
»Ich bin wach«, sagte ich. »Schon seit einer Stunde warte ich unter Schmerzen, dass Sie mir meine Medikamente bringen. Wo ist meine übliche Krankenschwester?«
Natürlich ignorierte sie mich. Das taten sie alle. Ich konnte labern und fantasieren, brüllen, weinen oder kläffen wie ein Hund – niemanden von denen schien es auch nur im Geringsten zu interessieren. Meist hielt ich deshalb einfach die Klappe. Außerdem waren es nicht meine Stimmbänder, mit denen ich sprach, und meine Stimme jagte mir immer noch jedes Mal, wenn ich den Mund aufmachte, eine Heidenangst ein. Es war nicht unbedingt eine üble Stimme, keine bizarre wie
Weitere Kostenlose Bücher