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Amputiert

Amputiert

Titel: Amputiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gord Rollo
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mir, ich habe es versucht, wieder und wieder, aber es drang kein Laut über meine Lippen. Ich hatte weder Stimmbänder noch Lungen, um Luft an ihnen vorbeizupressen und Geräusche zu erzeugen. Alles, was ich tun konnte, war, den Mund zu öffnen und zu schließen und still zu toben.
    Bald erkannte ich, dass ich weder meine Stimme noch den Rest meines Körpers am meisten vermisste, sondern das Schlagen meines Herzens. Normalerweise hören wir es nicht einmal und verschwenden keinen Gedanken an die Aufgabe, die es erfüllt – bis es verschwunden ist. Ich wurde zwar mit ausreichend Blut versorgt, um mein Gehirn am Leben und funktionstüchtig zu erhalten, trotzdem war es irgendwie nicht dasselbe. Obwohl ich das ähnlich klingende Pumpgeräusch der Herz-Lungen-Maschine hören konnte, war das Blut, das durch mich floss, nicht mehr das meine, und ohne zu lügen, ich bemerkte den Unterschied.
    Hör auf, so verschissen philosophisch zu denken. Diese Dreckschweine haben dir den gesamten verdammten Körper weggeschnitten, warum, zum Henker, zerbrichst du dir den Kopf über dein Herz? Komm darüber hinweg .
    Vermutlich war das ein guter Rat. Schien sinnvoll, und mein Verstand kam mit einem Ruck wieder auf Schiene. In jenem Augenblick hätte ich zehn gesunde Herzen gegen eine kräftige Faust und einen starken Arm eingetauscht, um sowohl Drake als auch Dr. Marshall einen mörderischen Schwinger zu verpassen. Das wäre schön gewesen, aber es war ein alberner, irrationaler Gedanke. Einer von vielen. Ich verlor allmählich ziemlich den Verstand, und ich wusste es. Ich konnte bloß nicht viel dagegen unternehmen. Andererseits wurde geistige Gesundheit vermutlich ohnehin überschätzt. Was würde sie mir in meinem gegenwärtigen Zustand schon bringen? Verrückt wie ein Hutmacher wäre ich besser dran; verloren in meiner Wahnwahrnehmung könnte ich mit einer dunkelhäutigen Schönheit am Arm einen imaginären, weißen Sandstrand entlangschlendern.
    Ich verbrachte eine Minute damit, über diesen Traumstrand nachzudenken, doch meine Illusion zerbarst, als Drake von irgendwo hinter mir meinen Namen rief.
    »Siehst gut aus, Mike«, meinte er, kam vor mich und entfernte den Spiegel.
    Der Tank, der meine Wirbelsäule enthielt, stand auf einem niedrigen Tisch; ich musste mir den Hals verrenkten, um zu Drake aufzuschauen.
    Der muskelbepackte Sicherheitschef starrte mich eine volle Minute lang schweigend an, dann bückte er sich auf meine Augenhöhe und beugte sich so dicht zu mir, dass sich unsere Nasen berührten. Sein Atem stank nach schalem Whiskey. Der leicht glasige Blick seiner betrunkenen Augen verriet mir, dass ich vor Drake mehr als bloß schlechten Atem zu befürchten hatte. Er erinnerte an ein hungriges Raubtier, und daran, dass ich leichte Beute verkörperte, bestand keinerlei Zweifel.
    »Wie fühlst du dich, Kleiner? Ist dir kalt? Ich sollte dir einen Pulli holen ... oh, tut mir leid. Ein Pulli würde dir wenig helfen, oder? Vielleicht einen warmen Hut?«
    Drake brach in Gelächter aus und bespritzte mein Gesicht mit Speichel. In jenem Moment hasste ich ihn mehr als jeden anderen auf der Welt – sogar mehr als Dr. Marshall, der verantwortlich für das zeichnete, was mir widerfahren war. Den Doktor trieb zumindest seine wahnsinnige Besessenheit an, seinem einzigen Sohn zu helfen. Drake hingegen handelte aus schierer Boshaftigkeit so. Er war ein von Grund auf böser, überheblicher Scheißkerl, und ich gelobte mir, dass ich durchhalten, irgendwie den Mut und die Kraft finden würde, lange genug zu leben, um zu sehen, wie er starb.
    »Dr. Marshall will mit dir reden. Er hat gesagt, er kommt in ein paar Minuten.« Drake flüsterte mir ins Ohr: »Was könnten wir tun, während wir warten?«
    Er trat einige Schritte zurück, tat so, als überlege er und begann schließlich, seine Hose zu öffnen.
    Das wagst du nicht!
    Natürlich würde er es wagen. Sekunden später hatte er seinen Pimmel in der Hand und wichste ihn steif.
    »Ich hatte von Anfang an ein Auge auf dich geworfen«, erklärte Drake in lüsternem Tonfall. »Ich mag lebhafte Kerle wie dich, Mike. Und jetzt sei brav, sonst muss dir der gute, alte Drake übel wehtun. Verstanden?«
    Perfekt. Ich öffnete den Mund, so weit ich konnte – eine Einladung für ihn. Steck ihn rein, Großer, und dann wart ab, was du davon hast.
    Gott, ich hoffte, er würde dumm genug sein, es zu tun. Wenn er mir dieses dreckige Ding in den Mund schöbe, würde mich nichts auf der Welt davon abhalten,

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