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Amputiert

Amputiert

Titel: Amputiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gord Rollo
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zum äußeren Rand des Waldes schaffen, bevor Drake Verstärkung schickte, um nach mir zu suchen. Und das würde er; in dieser Hinsicht gab ich mich keinerlei Illusionen hin. Bestimmt hatte er den Schuss gehört, der Junie getötet hatte. Meine Ohren summten immer noch von dem Knall. Drake würde vermuten, dass Jackson mich erschossen hatte, aber wenn der Wachmann nicht in der Burg aufkreuzte, um Drake die schauerlichen Einzelheiten zu schildern, würde dieser wissen, dass ich irgendwie den Spieß umgedreht hatte, und er würde sofort weitere Wachleute losschicken.
    Wie viel Zeit hatte ich? Junie war vor etwa zehn Minuten getötet worden. Der Marsch in diesen Teil des Waldes dauerte etwa dreißig Minuten, also hatte ich noch zwanzig Minuten, bevor Drake anfangen würde, beunruhigt zu werden. Danach blieben mir vielleicht noch zehn oder fünfzehn Minuten, bevor Drake stocksauer werden und zu brüllen beginnen würde. Noch einige weitere Minuten, um die Truppen zu versammeln, danach würde ich hier wieder als Staatsfeind Nummer eins gelten. Insgesamt bedeutete das für mich etwa fünfunddreißig Minuten – reichlich Zeit, um zum Waldrand zu gelangen und ein Versteck zu finden. Ich beeilte mich trotzdem, da ich kein Risiko eingehen wollte.
    Ich schaffte es dorthin zurück, wo der Pfad in das Feld neben der Burg mündete, ohne jemandem zu begegnen. Gut, noch schien das Glück auf meiner Seite zu sein. Da ich von niemandem bemerkt werden wollte, der unter Umständen aus einem der vielleicht hundert Fenster an der Seite des Gebäudes schaute, hielt ich mich vom offenen Gelände fern und bahnte mir einen Weg durch den Wald. Durch den würde ich versteckt bleiben, wenn die Wachleute kamen, wäre ich jedoch gleichzeitig nah genug, um ein Auge auf die Geschehnisse haben zu können. Ich entfernte mich ein gutes Stück vom Pfad, dann sank ich zu Boden und robbte auf dem Bauch in Richtung des Waldrands. Kurz vor der Baumgrenze schaufelte ich Laub über meine Beine und meinen Rücken und lag so still wie möglich, während ich darauf wartete, was weiterhin geschah.
    Es fühlte sich großartig an, dort zu liegen und sich auszuruhen. Ich war erschöpft, und so gut wie jede Stelle meines geschundenen Körpers schmerzte, brüllte nach meiner täglichen Dosis Schmerzmittel. Dabei musste ich an Junie denken, die nun niemandem mehr Pillen bringen würde, weder mir noch sonst jemandem. Harter Kerl, der ich war, rannen mir einige Tränen über die Wangen, und während ich dort lag und weinte, bekam ich Zweifel über den wilden Selbstjustizkreuzzug, den ich zu wagen gedachte. Ich meine, wer war ich schon, dass ich es mit Drake und seiner gesamten Sicherheitsmannschaft aufnehmen wollte? Ich hatte Jackson in Notwehr umgebracht, aber würde ich wirklich den Mumm besitzen, um der Gerechtigkeit willen erneut zu töten? Lautete die Antwort darauf nein , sollte ich besser den Schwanz einziehen und so schnell wie möglich verschwinden.
    Drake kam aus der Burg. Sein Blick schweifte prüfend über den Wald und schien sich direkt auf mich zu heften. Ich wusste, dass er mich von dort, wo er stand, nicht sehen konnte. Wahrscheinlich hielt er Ausschau nach Anzeichen auf Jacksons Rückkehr. Dazwischen blickte er immer wieder auf sein Handgelenk hinab, sah auf die Uhr und schüttelte den Kopf. Trotz der Entfernung erkannte ich, wie unruhig der Sicherheitschef war. Er lief auf und ab und ließ langsam anschwellende Wut erkennen. Wie ich es geahnt hatte, brüllte Drake nach weiteren fünf Minuten in sein Walkie-Talkie und sah aus, als würde er jeden Moment Feuer speien.
    Geschieht dir recht, du Dreckskerl. Ich hoffe, du bekommst vor meinen Augen einen Herzinfarkt.
    Fünf Minuten später schlossen sieben Wachleute die Reißverschlüsse ihrer Jacken gegen die Kälte und luden Waffen desselben Typs, wie ich sie hatte, während Drake ihnen Befehle zubrüllte. Ich konnte nicht verstehen, was er sagte, aber man brauchte kein Genie zu sein, um sich das zusammenzureimen. Sie wurden über Jackson informiert und aufgefordert, mich so schnell wie möglich zu finden. Sollte ich es aus dem Wald und zu einem Polizeirevier schaffen, würden sie alle in gewaltigen Schwierigkeiten stecken. Drake würde das niemals zulassen. Ich bin sicher, er gab den Wachleuten einen Anreiz – Geld, Urlaub, irgendetwas – für den Ersten, der mir eine Kugel in den Kopf jagte. Als Drake seine Männer hinter mir herhetzte, rannten sie los wie ein Rudel hirnloser Bluthunde, darauf

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