Amputiert
Potenzial. Das sich ausbreitende Erdgas könnte sich mit dem Sauerstoff mischen und von ihm um ein Vielfaches verstärkt werden, sodass ich hier unten ein monumentales Chaos veranstalten konnte. Würde es reichen? Es würde eine gewaltige Explosion geben, und der Keller zerstört werden. Wahrscheinlich würden auch Teile des Gebäudes einstürzen, aber wäre das ausreichend? Allmählich dachte ich klarer als zuvor, betrachtete nicht mehr alles nur durch eine von Rache gefärbte Brille, und um es richtig zu machen, wollte ich nur noch ein riesiges, glimmendes Loch in der Erde zurücklassen. Es wäre nicht genug, Nathan Marshall eine Weile die Tour zu vermasseln. Es wäre nicht einmal genug, Glück zu haben und ihn zu töten. Ich musste alles hier zerstören, wirklich alles . Es durfte nichts und niemand zurückbleiben, sodass nie jemand in der Lage wäre, die Teile dieses grausigen Puzzles zusammenzusetzen und weiterzumachen. Das würde schwieriger werden.
Aber nicht unmöglich.
Ich richtete die Taschenlampe nach oben und ließ ihren Strahl über die Decke wandern, fuhr Dutzende Rohrleitungen entlang, die sich wie Spinnweben von der Oberseite der beiden Sauerstofftanks aus verzweigten. Sie verteilten sich über den gesamten Keller, viel weiter, als der Strahl meiner Lampe reichte, aber ich wusste, dass letztlich alle nach oben durch die Decke verschwanden und sich ihren Weg durch die Böden und Wände in jeden Operationssaal, jeden Aufwachraum, jedes Patientenzimmer und jedes Testlabor in der Burg bahnten.
Du meine Güte! , dachte ich zum zweiten Mal binnen weniger als einer Minute, als sich vor meinem geistigen Auge eine kurze Vision einer riesigen Pilzwolke aus Feuer und Rauch abspielte.
Die Vision mochte ein klein wenig übertrieben sein, aber sie bescherte mir ein wohliges Gefühl in der Magengrube und ließ mich zur Tat schreiten. Ich hatte noch viel zu tun, bevor Drake und seine Jungs von ihrem Marsch in den Wald zurückkehrten. Ich wollte für sie bereit sein.
Eins nach dem anderen. Ich musste dafür sorgen, dass diese Tanks reinen Sauerstoff in den Keller pumpten, damit er sich mit dem Erdgas vermischen konnte, das sich bereits ausbreitete. Zum Glück musste ich nicht erneut meine Zehen malträtieren, um das zu bewerkstelligen. Beide Tanks hatten Anschlüsse für Schläuche, um sie von Tanklastwagen draußen zu befüllen. Der Schlauch war austauschbar, und im Augenblick an den Tank zu meiner Rechten angeschlossen. Er verlief den Boden entlang zur hinteren Wand, aber ich konnte nicht sehen, wo er das Gebäude verließ. Es spielte keine Rolle; ich hatte nicht vor, mir daran zu schaffen zu machen. Wenn ich Glück hatte, war er vielleicht an einen Versorgungslaster angeschlossen, und ich konnte auch diesen in die Luft jagen. Falls mein Plan so funktionierte, wie ich hoffte, würde sich das Gas in diesem Tank so oder so bald in den oberen Geschossen ausbreiten.
Vorerst galt mein Augenmerk dem anderen Tank. Ich steuerte auf den Versorgungsanschluss des linken Tanks zu, und es bedurfte lediglich einer Drehung des Absperrventils in die richtige Richtung, um den Sauerstoff mit einem Zischen aus dem Loch strömen zu lassen, wo kein Schlauch angeschlossen war. Einfacher hätte es kaum sein können, aber ich zügelte meine Freude, da ich wusste, dass ich immer noch Dinge zu tun hatte, die sich nicht so rasch und bestimmt nicht so einfach erledigen lassen würden.
So schnell ich konnte, hielt ich auf die Treppe zu.
Kapitel 36
Als ich die Kellertür öffnete, blendete mich das Licht aus dem Erdgeschoss regelrecht. Die Neonröhren an der Decke wirkten greller als üblich, aber ich bin sicher, das stimmte nicht. Es lag wohl eher an der Erkenntnis, dass mein Plan, der ein gewisses Maß an Verstohlenheit erforderte, einige Löcher mehr hatte, als ich mir gewünscht hätte. Und damit würde Verstohlenheit wenig zu tun haben. Was ich dringender als alles andere brauchte, war eine riesige Handvoll reines Idiotenglück.
Ich holte ein weiteres Mal tief Luft, betrat den mit Teppich ausgelegten Flur und schloss die Kellertür. Ich glaube, ich habe mich noch nie in meinem Leben so ungeschützt gefühlt, aber ich konnte nichts dagegen unternehmen, also verdrängte ich die unangenehmen Gedanken und machte mich an die Arbeit.
Im Erdgeschoss gab es nichts, was mich interessierte, und ich war sicher, ich würde Dr. Marshall oder einer seiner Sekretärinnen über den Weg laufen, wenn ich mich zu lange hier herumtrieb, also
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