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Amputiert

Amputiert

Titel: Amputiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gord Rollo
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dankbar.
    »Warum bist du hier, Mike?«, fragte Lucas schließlich.
    »Ja, was ist los?«, fügte Red hinzu.
    Wie sollte ich diese Fragen beantworten? Wie teilte man seinen Freunden mit, dass man gekommen war, um sie zu ermorden? Ich hatte keinen Schimmer. Statt etwas zu erwidern, drehte ich mich um und ging zu dem leeren Bett, das gegenüber den beiden stand. Ich hielt kurz inne, kämpfte mit meinen inneren Dämonen darum, ob ich es wirklich tun sollte oder nicht, doch tief in meinem Herzen wusste ich, dass es richtig – anständig – wäre, ihnen den Gnadentod zu schenken.
    Ich bückte mich und ergriff das dünne weiße Kissen.
    »Kissenschlacht?«, fragte Red und lachte über seinen Scherz. »Tja, ich habe das Gefühl, dabei dürftest du gewinnen, Kumpel.«
    Ich schenkte Rotbart keine Beachtung, drehte mich um und sah Lucas an, starrte ihm direkt in die Augen, und da wusste ich, dass er genau verstand, weshalb ich hergekommen war. Hätte er geschrien oder Anzeichen von Furcht erkennen lassen, hätte ich vielleicht gekniffen und das Kissen weggeworfen, aber in seinen Augen leuchtete nur eine einzige Empfindung deutlich auf – Hoffnung.
    »Gott segne dich, Junge«, flüsterte er. Seine Stimme erklang kaum hörbar, aber diese vier kleinen Worte verliehen mir die Kraft, die ich brauchte, um diese grauenhafte Aufgabe zu erfüllen. Auch Rotbart hatte mittlerweile begriffen und nickte, lächelte mich an, während ihm Tränen über die eins so roten Wangen liefen.
    »Tu es, Mike. Bitte«, flehte mich Rotbart an.
    Ich musterte beide, nickte und machte mich an die Arbeit, bevor mich die Nerven im Stich ließen.
    Aus keinem besonderen Grund beschloss ich, Charlie zuerst zu erledigen. Ich wusste, dass er im Wesentlichen schon komatös war, als ich noch hier geschlafen hatte, und inzwischen stand es vermutlich noch schlimmer um ihn, deshalb fand ich, dass ich mit ihm ebenso gut wie mit jedem anderen anfangen könnte. Ich hatte bereits beschlossen, dass ich mir Lucas und Rotbart bis zum Schluss aufheben würde. Die anderen Kerle waren bereits zu drei Vierteln tot und brauchten lediglich einen kleinen Schubs, um sie auf die Reise zu bringen. Das Kissen auf meine Freunde zu drücken, würde eine völlig andere Liga sein, und als der Feigling, der ich war, wollte ich es so lange wie möglich hinauszögern.
    Charlie rührte sich nicht. Er wehrte sich überhaupt nicht, als das Kissen sein ausgemergeltes Gesicht bedeckte. Ich war nicht einmal sicher, ob ich etwas bewirkte, bis ich bemerkte, dass sich seine dürre Brust nicht mehr ausdehnte und zusammenzog. Er war still und in weniger als einer Minute gestorben, und mir traten Tränen in die Augen, als ich begriff, dass ich soeben einen anderen Menschen ermordet hatte.
    Jackson hatte ich in Notwehr umgebracht, und das hatte mir nicht das Geringste ausgemacht, aber Charlies Tod war mein erster Mord – der erste von vielen an diesem Tag, aber ich zwang mich, nicht darüber nachzudenken. Ich versuchte, es aus meinem Kopf zu verbannen und den Schalter für den Autopiloten zu drücken. Ich hasste mich zwar unwillkürlich, trotzdem war ich überzeugt davon, diesen Männern einen Gefallen zu tun. Einen, den sie umgekehrt auch mir getan hätten, wenn unsere Rollen vertauscht gewesen wären. Und dennoch, Mord war Mord, ganz gleich, wie ich versuchte, ihn zu rechtfertigen. Aber mittlerweile gab es kein Zurück mehr. Mit zitternden Händen trat ich an das nächste Bett.
    Dreißig Minuten später waren sieben weitere Männer tot. Einige kannte ich, andere nicht, aber alle nahmen die große Belohnung still und ohne Gegenwehr an. Nun ja, fast alle. Ein Mann – sein Name lautete Glen oder Ben – kämpfte ein wenig dagegen an, wand und krümmte sich schwach unter meinen Händen, aber es war wohl eher sein Körper, der reagierte, nicht sein Verstand. Ich hatte ihm in die Augen geblickt, bevor ich das Kissen auf sein Gesicht drückte, und ich wusste, dass die Lichter in seinem Oberstübchen längst erloschen waren.
    Acht erledigt. Noch zwei übrig.
    O Mann. Jetzt kommt’s.
    Die ganze Zeit, während der ich mit dem Kissen Gott gespielt hatte, hatte ich es bewusst vermieden, Rotbart und Lucas anzusehen. Ich schämte mich nicht für das, was ich tat, auch fürchtete ich nicht, dass ich die Nerven verlieren könnte, ich wollte bloß den Ausdruck der Vorfreude in ihren Gesichtern nicht sehen.
    Ich brauchte nicht hinzusehen, um zu wissen, dass sie bei der Aussicht darauf, dieser fauligen Ebene der

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