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Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers

Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers

Titel: Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janwillem Van De Wetering
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hast?»
    «Ja, Mijnheer.»
    «Wir fahren jetzt hin, das heißt, wenn der Adjudant nichts dagegen hat, Schnecken zu essen.»
    Grijpstra machte ein zweifelndes Gesicht. «Ich hab noch nie welche gegessen, Mijnheer.»
    «Oh, die werden dir schmecken. Die Franzosen haben sie seit Jahrtausenden gegessen, und die sind angeblich intelligenter als wir. Hast du gesagt, dir sei die Dame stupide vorgekommen?»
    «Nicht speziell diese Dame, Mijnheer. Die meisten Menschen benehmen sich stupide, wenn sie mit dem Tod in Berührung kommen.»
    «Du meinst, daß du nicht kritisierst, sondern feststellst.»
    Grijpstra machte ein beleidigtes Gesicht. «Die Polizei kritisiert nie.»
    Der Commissaris streckte den Arm aus und klopfte Grijpstra mit seiner dünnen, fast leblosen Hand auf die kräftige Schulter.
    «Stimmt, Adjudant. Du hast deine Lektionen gut behalten. Wir beobachten, verbinden, folgern und nehmen fest. Falls wir können. Der Verdächtige versucht immer davonzukommen, und wenn wir ihn erwischen können, werden uns die Anwälte kritisieren und ihn entschuldigen, und unsere Feststellungen werden zurechtgerückt, damit sie zu dem passen, was die Anwälte sagen, und am Ende weiß keiner wirklich, was geschehen ist oder warum.» Die Hand des Commissaris lag wieder auf seinem Schoß. Plötzlich ballte sie sich zur Faust und schlug auf den Sitz.
    «Dies ist ein verrückter Fall, Grijpstra. Ich verstehe nicht, welche Gemeinsamkeiten diese Leute miteinander haben. Nimm zum Beispiel diese Dame, die wir soeben besucht haben. Abe hat mit ihr geschlafen, aber er hat mit einer ganzen Reihe von Frauen geschlafen. Was hat er in ihr gesehen? Besonders attraktiv ist sie auch nicht. Hast du sie für attraktiv gehalten?»
    Grijpstras dicke Lippen kräuselten sich verächtlich. Er schüttelte den Kopf. «Nein, Mijnheer. Dünne Beine, keine sehr gute Figur, viele krause Löckchen auf einem runden Kopf. Aber den Geschmack eines Mannes kann man nicht berechnen.»
    «Und ihr Verstand?» fragte der Commissaris, aber Grijpstras Gesichtsausdruck änderte sich nicht.
    «Ein Bücherwurm, Mijnheer.»
    «Stimmt», sagte der Commissaris. «Genau. Sie lebt nach ihren Theorien oder was sie für ihre Theorien hält, nach etwas, was ihr andere Leute und vielleicht einige Bücher eingetrichtert haben. Surrealismus, also wirklich! Und das ist angeblich die Verbindung zwischen ihr und unserer Leiche, ein gemeinsames Interesse an französischen surrealistischen Romanen.»
    «Sie glauben nicht an Surrealismus, Mijnheer?»
    Der Commissaris zuckte die Achseln und schaute zum Fenster hinaus. Der Wagen folgte der schmalen Straße entlang der Amstel ; sie hatten einen klaren Ausblick auf eine weite Wasserfläche, kaum gekräuselt durch eine sanfte Brise, die ihre größte Kraft im Schutzgürtel aus Schilf und Büschen am Fluß verloren hatte.
    «Ja, ja», sagte er bedächtig, «aber das Wort irritiert mich. Es ist, als ob man ‹Gott› sagt oder das ‹Unendliche› oder ‹der Punkt, an dem sich zwei Parallelen treffen›. Die Leute sagen diese Worte und wischen sich eine Träne ab. Was sollte wohl ein Mädchen wie Corin Kops, ein zerbrechliches, abgearbeitetes Bündel Knochen, gekrönt von einem nicht gerade spektakulären Gehirn, über Surrealismus wissen! »
    Grijpstra schaute fort. Er tat so, als reibe er seinen Mund, um das Lächeln zu verbergen. Ihm war eingefallen, daß er de Gier gegenüber den Commissaris mal als einen trockenen Stock, gekrönt von einer Rasierklinge, beschrieben hatte.
    «Sie hat überhaupt nichts verstanden», fuhr der Commissaris fort. «Sie weiß es einfach nicht. Sie versuchen, etwas zu definieren, was mit einem Wort nicht eingefangen werden kann, aber sie denken sich dennoch ein Wort aus und verwenden es, als hätte es eine wirkliche Bedeutung. Wie die Prediger der Niederländisch Reformierten, die sich über Gott auslassen. Früher jedenfalls. Jetzt haben sie ein bißchen mehr Bescheidenheit gelernt, und so viele sind von denen auch nicht mehr da, Gott sei Dank. Was wissen wir über die Wirklichkeit? Vielleicht in gewissen Augenblicken mal. Wie heute früh, als meine kleine dumme Schildkröte durch das Gras trottete und eine Drossel sang. Vielleicht habe ich in dem Moment etwas verstanden, aber es war weg, als ich versuchte, meine Hand daraufzulegen. Aber eine Frau wie Corin Kops glaubt, sie erwischt es und prägt dann ein Wort, und ehe man sich versieht, steht es in den Wörterbüchern … He!»
    Grijpstra, der die Augen geschlossen

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