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Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers

Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers

Titel: Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janwillem Van De Wetering
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wahr?»
    «Nein», sagte das Mädchen und lächelte. «Ganz und gar nicht. Abe hat mit vielen Mädchen geschlafen. Sie sind zu ihm gekommen, wenn er nur mit den Fingern schnippte – und wackelten mit dem Hintern. Er brauchte sie nicht einmal zu verführen, sondern sie erwarteten von ihm nur, daß er die Hose auszog und die Sache erledigte. Bei mir war’s anders. Er kam, wenn ich es wollte, und er ging, wenn ich es wollte, und er mußte mit mir sprechen und mir zuhören. Ich habe nie versucht, mich seinem Stundenplan anzupassen. Ich habe viel zu tun und habe daher meinen eigenen Stundenplan. Ich studiere, der Staat zahlt mir mein Studium ; man hat mir ein hübsches Stipendium gewährt. Ich will meine Studien rechtzeitig beenden, noch lieber vorzeitig. Ich vertrödele meine Zeit nicht.»
    Es war eine lange Rede gewesen, und sie hatte sie, mitten im Raum stehend, fast leidenschaftlich vorgetragen, Grijpstra war beeindruckt. Der Commissaris hatte anscheinend nicht zugehört. Er hatte sich umgesehen. Das Innere des Boots sah so adrett aus wie das Äußere. Sie hatte den Raum nicht vollgestopft; alles, was er enthielt, schien eine Funktion zu erfüllen. Ein großer niedriger Tisch, Bücherstapel, Papier und eine Schreibmaschine darauf. Einige Pflanzen und eine Vase mit frischen Schnittblumen.
    Er stand auf, ging zum Ende des Raums und blieb vor einer Werkbank stehen. «Arbeiten Sie an etwas, Juffrouw?»
    «Ich heiße Tilda», sagte das Mädchen, «Tilda van Andringa de Kempenaar. Nennen Sie mich einfach Tilda. Das ist ein Vogelfutterhäuschen, oder vielmehr soll es eines Tages eins werden. Ich habe etwas Schwierigkeiten damit.»
    «Van Andringa de Kempenaar», sagte der Commissaris und kniff die Augen zusammen. Die gerunzelte Stirn zeigte, daß er überlegte, sich zu erinnern suchte. «Ein adeliger Name, er steht in unseren Geschichtsbüchern, nicht wahr?»
    «Ja», sagte sie munter, «ein adeliger Name, eine adelige Familie.»
    «Vielleicht sollte ich Sie mit ‹Freule› anreden.»
    «Bestimmt nicht», sagte sie. «Tilda reicht.» Sie hob ihr langes Kleid etwas an, machte einen Knicks und richtete sich wieder auf. «Wir hatten einst Güter und Einfluß bei Hof, und ich glaube nicht, daß wir in jenen Tagen Steuern zahlten. Aber mein Ururgroßvater hat alles in Paris verpulvert, und seitdem waren wir nicht mehr als die anderen und haben für unseren Lebensunterhalt gearbeitet.»
    «Ich verstehe», sagte der Commissaris und lächelte automatisch. «Ein Vogelfutterhäuschen, sagten Sie?»
    «Ja. Ich bastele gern Sachen, aber dies macht mehr Arbeit als ich dachte. Es muß noch mit Blech und Glas gedeckt werden, aber zuerst muß ich das Innere richtig fertigmachen. Es soll eine sinnreiche Vorrichtung werden, wissen Sie. Der Vogel muß auf dieser kleinen Stange sitzen, dann wird etwas Futter in den kleinen Behälter dort fallen. Eine kleine Falltür ist mit dieser Stange verbunden. Aber es funktioniert nicht richtig. Es sollte gerade genug Futter in den Behälter fallen. Ich will nicht dauernd den großen Vorratsbehälter nachfüllen. Das Ding wird draußen aufgehängt, wenn es fertig ist. Und ich kann nur über das Dach daran gelangen; die Fenster auf der Seite lassen sich nicht öffnen.»
    «Aha, aha», sagte der Commissaris und stellte die Konstruktion wieder hin. «Sehr klug. Haben Sie sich das selbst ausgedacht?»
    «Ich hatte etwas Hilfe, aber nicht viel. Ich erfinde gern etwas. Als Kind habe ich immer Seifenkisten gebaut. Ich habe ein Rennen damit gewonnen. Wollen Sie sie sehen?»
    «Gern», sagten der Commissaris und Grijpstra.
    Sie brachte sie an und erging sich in einer langen technischen Erklärung.
    «Sehr klug», sagte der Commissaris noch einmal.
    «Was studieren Sie, Tilda?» fragte Grijpstra.
    «Medizin. Ich bin im dritten Jahr. Ich möchte Chirurgin werden.»
    «Aber Sie sind noch sehr jung», sagte Grijpstra mit ehrfurchtsvoller Stimme.
    «Einundzwanzig.»
    «In vier Jahren werden Sie Ihren Doktor machen», sagte Grijpstra beinahe flüsternd. Er konnte sich das Mädchen nicht als Doktor der Medizin vorstellen. Er sah sich plötzlich in einem weißen Raum auf einem Tisch festgebunden. Das Mädchen beugte sich über ihn. Sie hatte ein Messer; das Messer würde seine Haut verletzen, eine tiefe Wunde schneiden. Ihre Finger würden freigelegte Muskeln, Nerven, lebenswichtige Organe berühren. Ein Frösteln überlief ihn und sträubte seine Nackenhaare.
    «Das ist nichts Besonderes», sagte das Mädchen. Es hatte

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