Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers
Commissaris.
«Vorsicht, Mijnheer», rief Grijpstra. «Die Straße ist voller Scheiße.»
Der Commissaris schaute. Es mußte ein großer Hund gewesen sein, vielleicht ein großer, kranker Hund. Der grünlichgelbe Kot bedeckte mehrere Pflastersteine, und Grijpstra war mitten reingetreten. Der Konstabel schloß die Augen, öffnete sie wieder und zwang sich, seinen Körper in Bewegung zu setzen. Er ging um den Wagen herum, öffnete den Kofferraum und fand einen Schrubber mit langem Stiel. Grijpstra hielt sich an einem Laternenmast fest, während der Konstabel sich an die Arbeit machte.
«Du bist ein reizbarer Kerl», sagte der Commissaris. «Bist du noch nie in Hundekot getreten, Adjudant?»
«Oft», sagte Grijpstra gereizt. «An jedem Tag in meinem Leben, glaube ich. Ich ziehe Hundescheiße magnetisch an. Wenn auf der Straße ein Haufen ist, pflüge ich ihn durch. Einige Leute halten das für komisch. Ich amüsiere sie.»
«Ich halt es nicht für komisch», sagte der Commissaris, «und der Konstabel auch nicht.»
«De Gier hält es für komisch. Als wir gestern den Wagen im Hof des Präsidiums abholten, bin ich in einen Haufen getreten, und da ich rannte, bin ich über das ganze Pflaster gerutscht. Er hat gelacht, der Mistkerl hat gelacht! Tränen hatte er in den Augen! Auf die Schenkel hat er sich geschlagen! Aber Hundescheiße ist für mich das gleiche wie eine blutige Leiche für ihn. Ich lache nicht, wenn er an einer Wand lehnt und in Ohnmacht fällt und sich anstellt!»
«Hmm», sagte der Commissaris, «aber jetzt bist du wieder sauber. Danke, Konstabel. Gehen wir auf das Boot, ehe noch was passiert.»
Das Mädchen wartete in der Tür auf sie.
«Fehlt Ihnen was?» fragte sie den Adjudant. «Warum sind Sie herumgesprungen?»
«Ich bin in Hundedreck getreten, Juffrouw.»
«Das war der Schäferhund von nebenan. Ihm ging es in letzter Zeit nicht gut. Ich wollte es heute wegmachen, hab es aber dann vergessen. Ziehen Sie bitte die Schuhe aus, mein Boot ist nämlich blitzblank.»
Grijpstra kniete sich gehorsam hin. Der Commissaris schlüpfte an ihm vorbei, fand einen bequem aussehenden Sessel und setzte sich. Das Mädchen blieb bei Grijpstra, bis beide Schuhe mit der Sohle nach oben in einer Ecke bei der Tür standen.
«Sind Sie Polizeibeamte?» fragte das Mädchen. «Ich dachte immer, die tragen Regenmäntel und Filzhüte.»
«Sie haben wohl alte Filme gesehen», sagte der Commissaris.
«Kaffee?» fragte das Mädchen.
«Nein, danke, Juffrouw.»
Dem Commissaris gefiel das Mädchen. Große lebhafte Augen in einem Sommersprossengesicht. Steife Zöpfe mit blauer Schleife, damit sie sich nicht lösten. Ein bis zu den Knöcheln reichendes Kleid aus lustig bedruckter Baumwolle. Unregelmäßige, aber strahlend weiße Zähne, ein starker Mund. Ein Sonnenstrahl, dachte der Commissaris glücklich, genau was wir brauchen, um die Tagesarbeit abzuschließen.
«Sie sind wegen Abe gekommen?» fragte das Mädchen und sah Grijpstra an, der verloren herumstand. «Warum setzen Sie sich nicht?»
«Wo?» fragte Grijpstra.
«Hier.» Sie zeigte auf einen unförmigen Ledersack neben dem Sessel des Commissaris, ging in die Hocke und knuffte den Sack zurecht. «Er ist ganz bequem, gefüllt mit Kieseln. Ich habe ihn in Spanien gekauft. Versuchen Sie.» Grijpstra setzte sich. «Sehen Sie?»
«Ja, Juffrouw», sagte Grijpstra und bohrte seinen breiten Hintern in den Ledersack. Das Rückenteil richtete sich auf und stützte seinen massigen Körper; die Kiesel knirschten.
«Ja», sagte der Commissaris. «Wir sind wegen Abe gekommen. Er wurde gestern ermordet, wie Sie wissen. Man hat uns gesagt, Sie seien mit Mijnheer Rogge befreundet gewesen.»
«Ja», sagte das Mädchen. «Eng befreundet. Wir haben miteinander geschlafen.»
«Ja, ja», sagte der Commissaris.
«Ich bin gern exakt», sagte das Mädchen heiter.
Warum ist sie so verdammt fröhlich? dachte Grijpstra. Der Mann ist tot, oder? Kann sie nicht verstört sein? Er bewegte sich, die Kiesel knirschten wieder.
«Machen Sie kein so besorgtes Gesicht. Der Beutel platzt nicht. Hunderte von Leuten haben darauf gesessen.»
«Abe war also Ihr Liebhaber, wie?» fragte er.
«Er war mein Liebhaber, aber ich war nicht seine Geliebte.»
«Ich verstehe», sagte Grijpstra zweifelnd.
«Ich nicht», sagte der Commissaris. «Wenn Mijnheer Rogge Ihr Liebhaber war, dann waren Sie seine Geliebte. Das ist doch gewiß die richtige Art und Weise, diese Beziehung zu beschreiben, nicht
Weitere Kostenlose Bücher