Amy on the summer road
merkte wieder einmal deutlich, dass wir sehr weit weg von Kalifornien waren. Noch nie zuvor hatte ich jemanden getroffen, der schon einmal auf Jagd gewesen war.
»Tja«, fügte er hinzu. »Er will dazu extra mit mir im November nach Kanada und hat alles schon fertig geplant. Das wird vermutlich mitten in den Zwischenprüfungen sein. Ich hoffe, dass ich da noch irgendwie rauskomme.«
Ich wollte gerade etwas erwidern, als der Liberty vor dem Haupthaus hielt. Roger stieg aus, knallte die Autotür zu und klappte sein Handy zusammen. Er schaute sich um, fuhr sich mit den Händen durch die Haare, überlegte es sich jedoch noch einmal und strich sie wieder glatt, so wie ich es neulich gemacht hatte.
Ich sah zu Lucien hinüber und rutschte dann auf meinem Sitz ein Stück tiefer, was natürlich unsinnig war, denn ich war trotzdem noch gut zu sehen. Trotzdem fühlte ich mich jetzt nicht mehr ganz so wie ein Spion. »Was tut er denn da?«, fragte ich und sollte postwendend meine Antwort bekommen.
Die Tür zum Haupthaus öffnete sich und heraus kam das hübscheste Mädchen, das ich je gesehen hatte. Obwohl wir so weit weg waren, konnte man ihre Ausstrahlung förmlich
spüren. So wie bei Prominenten, wenn man ihnen persönlich begegnet. In Los Angeles kam das öfter vor – auch wenn man meist nur einen kurzen Blick erhaschen konnte, ehe man von einer Horde Paparazzi beiseitegedrängt wurde. Aber dieser Blick reichte meistens aus, um das Besondere wahrzunehmen, das von den wirklich Schönen ausging. Und von diesem Mädchen ebenfalls. »Hadley?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort kannte.
»Hadley«, bestätigte Lucien.
Das Bild, das mir Bronwyn gezeigt hatte, wurde ihr nicht ganz gerecht. Sie war groß und schlank und hatte so ebenmäßige Gesichtszüge, dass es verwunderlich war, weshalb sie nicht schon vor Jahren von einem Modelscout entdeckt worden war. Sie hatte Jeans und ein Polohemd an, aber so, wie sie es trug, hätte es ebenso gut Haute Couture sein können. Als ich sie sah und erkannte, wie Roger sie anschaute, wusste ich, warum wir diesen Umweg auf uns genommen hatten. Ich begriff, wieso er es mit mir, einem langweiligen Highschool-Mädchen, ausgehalten hatte – nur um die Chance zu haben, sie wiederzusehen. Ich verfolgte, wie er auf sie zuging, und dabei ging es mir genauso, wie wenn ich mir Gruselfilme ansah. Eigentlich wollte ich nicht hinschauen, wusste aber ganz genau, dass ich nicht wegsehen konnte. Einen Moment lang dachte ich, dass sie sich gleich umarmen würden, aber er trat einen Schritt zurück und hob nur grüßend die Hand.
»Was denkst du, was jetzt passiert?«, flüsterte ich Lucien zu. Er grinste und verdrehte die Augen.
»Amy, wir sind ein gutes Stück weg. Ich glaube nicht, dass sie uns hören können.«
»Ich weiß«, antwortete ich. »Trotzdem.« Ich beobachtete, wie sie miteinander redeten. Roger hatte die Hände in den Taschen und deutete mit dem Kopf in Richtung Auto. Hadley nickte und wandte sich nach links. Dann gingen die beiden um das Stallgebäude herum, sodass wir sie nicht mehr sehen konnten. »Mist«, murmelte ich.
»Weißt du«, sagte Lucien. »Je nach dem, was da drüben jetzt abgeht« – er deutete in die Richtung, in der sie verschwunden waren – »könnt ihr auch gerne noch ein paar Tage hierbleiben, wenn ihr wollt. Es ist toll, euch als Gäste zu haben.«
Ich schaute zu ihm hinüber. »Echt nett von dir«, sagte ich. »Aber du hast eh schon viel zu viel für uns getan. Und ich müsste dann auch mal langsam weiter.«
Als ob er mit dieser Antwort gerechnet hätte, nickte er. »Was ist eigentlich euer nächstes Ziel?«
»Darüber haben wir noch gar nicht geredet«, antwortete ich. »Aber ...« Ich musste an die Reise denken, die mein Vater mit Charlie und mir unternehmen wollte, und daran, dass ich gerade nur wenige Autostunden von Memphis entfernt war. Aber im Moment wusste ich ja gar nicht, wie es mit unserem Roadtrip eigentlich weitergehen würde. Denn es konnte gut sein, dass er in diesem Moment beendet wurde. Ich verscheuchte den Gedanken und richtete mich in meinem Sitz wieder ein Stück auf, als ich Hadley genau an der Stelle wieder auftauchen sah, wo sie zuvor mit Roger verschwunden war. Sie wirkte alles andere als glücklich, hatte den Mund schief verzogen und eine viel steifere Haltung als vorher. Sie sah jetzt wesentlich weniger attraktiv aus. Kurz darauf erschien auch Roger wieder. Er lief langsam und mit
gesenktem Kopf, seine Miene war nicht zu
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