Amy on the summer road
einen schwarzen, mit Aufnähern übersäten Rucksack herunter. Er zog den Reißverschluss auf und wühlte darin herum, bis er eine CD zum Vorschein brachte, die er mir entgegenhielt. Sie sah aus wie selbst gemacht, in einer gelben Hülle. »Meine Demo«, sagte er und sah mir direkt in die Augen. »Weißt du, was meine Großmutter immer sagte?«
»Zu Hause ist es am schönsten?«, fragte ich und versuchte es noch einmal mit einem Lächeln, das schon weniger zittrig als das vorige ausfiel.
»Nein«, sagte er, wirkte unverändert ernst und hielt die CD immer noch in der Hand. »Morgen wird ein besserer Tag.«
»Aber was, wenn nicht?«
Walcott lächelte und ließ die CD los. »Dann sagst du’s morgen eben wieder. Weil es ja sein kann. Man kann schließlich nie wissen, stimmt’s? Irgendwann wird es auf jeden Fall besser.«
Ich nickte. »Danke«, sagte ich und hoffte, er verstand, dass ich nicht nur die CD meinte. Er nickte auch, stieg auf seinen Traktor, ließ den Motor an und dröhnte wieder davon.
Ich nahm mir einen Moment Zeit, nur ich allein in der Dunkelheit an Loch 7, Par 5, im Wichita Country Club . Dann zog ich meine Flip-Flops an und machte mich auf den Rückweg. Drew und Roger warteten schon am Ende des Golfplatzes
auf mich – dort, wo Gras und Kies aufeinandertrafen. Roger wirkte besorgt, und wahrscheinlich verriet mein Gesicht etwas von dem, was gerade passiert war, denn selbst als er mich sah, wich die sorgenvolle Miene nicht aus seinem Gesicht.
»Verlaufen?«, fragte Drew.
Ich hielt die CD hoch. »Walcott getroffen.« Ich versuchte, meine Stimme möglichst beiläufig klingen zu lassen. »Hat mir seine CD in die Hand gedrückt.«
»Ich hab dich gewarnt«, sagte Drew. Wir gingen los. Ich sah, dass das Mädchen auf dem Übungsplatz immer noch da war. Sie trainierte jetzt ihren Aufschlag, indem sie den Ball erst weit über ihren Kopf nach oben warf und dann gegen die Wand schmetterte. Drew bestand darauf, uns zurück zu unserem Auto zu fahren, weil er sowieso in diese Richtung müsste. Offenbar hatte ihm Roger, während ich nicht da war, vom Highway 50 erzählt, und jetzt nahmen sie ihren Gesprächsfaden wieder auf.
»Das kannst du dir nicht vorstellen«, sagte Roger. »Der geht immer weiter und weiter, und du glaubst echt, der ist nie zu Ende.«
»Aber dann ist er es doch«, sagte Drew. »Wow. Das ist eine tolle Geschichte!«
»Im Ernst. Du glaubst, der geht ewig so weiter.«
»Nichts dauert ewig«, sagte Drew und dann sangen beide gemeinsam Even cold November rain . Sprachlos schaute ich von einem zum anderen.
»Ist nicht dein Ernst?«, fragte Drew, der meinen Gesichtsausdruck im Rückspiegel gesehen hatte. »Magellan, versorge dieses Mädchen mal mit ein bisschen Guns ’N Roses.«
Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach, aber auch keine Zeit nachzufragen, weil das Auto schon wenige Sekunden später vor den Toren des Country Clubs hielt. Ich sah mich um und da stand der Liberty im hellen Schein der Straßenbeleuchtung geparkt. Ich war unerwartet froh, ihn wiederzusehen.
Auch wenn mein Zuhause gerade von einer stinkfreundlichen Immobilienmaklerin verhökert wurde, meine Familie verschwunden oder über ganz Amerika verstreut war – wenigstens das Auto kam mir angenehm vertraut vor, und von Meile zu Meile fühlte es sich mehr wie ein Zuhause an.
Wir stiegen aus und Drew schob wieder den Fahrersitz für mich beiseite. Wieder streckte er seine Hand aus, und diesmal nahm ich sie mit einem kleinen Lächeln, das er breit erwiderte. Drew und Roger umarmten und klopften sich noch ein paarmal auf den Rücken. Dann ging Roger zu unserem Wagen und ließ mich und Drew stehen. »War schön, dich kennenzulernen«, sagte Drew.
»Danke für die Nu Way -Einladung«, antwortete ich. »Crumbly is good .«
»Hab ich’s dir nicht gesagt? Hör mal, tu mir bitte einen Gefallen.« Drew warf die Fahrertür zu und kam näher. »Pass auf meinen Freund Magellan auf, ja? Sei sein Sancho Panza.«
Verblüfft starrte ich Drew an. Plötzlich und ohne dass ich damit gerechnet hatte, mischte sich mein Vater in das Gespräch ein. »Was hast du gesagt?«, fragte ich.
»Sancho Panza«, wiederholte Drew. »Aus Don Quijote . Aber weißt du, das Problem mit Magellan sind diese ganzen Entdecker. Die sind doch ständig nur darauf aus, total unmöglichen Dingen hinterherzurennen. Und die meisten von denen sind so damit beschäftigt, immerzu den Horizont anzupeilen, dass sie gar nicht mitkriegen, was sich unmittelbar vor ihrer
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