Amy on the summer road
am Ende angekommen, als mir plötzlich auffiel, dass ich meine Flip-Flops vergessen hatte.
»Tut mir leid«, seufzte ich. »Ich hab meine Schuhe vergessen. Wir sehen uns am Auto?«
»Soll ich mitkommen?«, bot Roger an.
Ich schüttelte den Kopf. »Geht ganz schnell.« Ich machte mich auf den Weg zurück zu unserer Stelle. Als ich die grüne Weite vor mir sah, fing ich an zu rennen. Ich spürte das dichte Gras unter meinen Füßen und die kühle Nachtluft im Gesicht. Ich fühlte mein Haar hinter mir wehen, als ich schneller rannte, vorbei an den Sandhindernissen und über die Hügel, und als ich schließlich die Abschlagsfläche am zwölften Loch erreichte, musste ich die Hände auf meine Knie stützen, bis ich wieder zu Atem gekommen war. Ich nahm meine Flip-Flops in die Hand und ging zurück, diesmal ohne zu rennen. Mein Herz klopfte, aber nur von der Anstrengung.
Als ich am Loch 7 vorüberkam, hörte ich den Rasentraktor wieder und kurz darauf kam Walcott hinter mir den Hügel heraufgefahren. Er tuckerte neben mir her und schob wieder seine Kopfhörer nach hinten.
»Willst du mitfahren?«, brüllte er, um den Rasenmäher zu übertönen. Ich schüttelte den Kopf, und er stellte den Motor ab, woraufhin die nächtliche Stille sich wieder ausbreitete. »Willst du mal mitfahren?«, wiederholte er. Offenbar dachte er, ich hatte ihn nicht verstanden.
»Lieber nicht«, lehnte ich noch einmal ab. »Aber trotzdem danke.« Er zuckte die Schultern und wollte sich die Kopfhörer wieder aufsetzen. »Walcott«, sagte ich schnell, bevor er verschwand. Und noch ehe ich darüber nachdenken konnte, was ich tat, legte ich meine Hand auf den Rasenmäher, der erstaunlich heiß war. »Fährst du gerne damit? Macht dir das Spaß?«
»Ja«, sagte er und lächelte mich an. »Ist spitze. Willst du’s doch mal versuchen?«
Ich schaute auf und im Kopf vernahm ich die Stimme meines Vaters, so klar und deutlich, als wäre es nicht schon Monate her, dass ich sie zum letzten Mal gehört hatte. »Das ist eine Kunst, liebe Amy«, sagte seine Stimme. »Willst du’s nicht auch mal versuchen?«
»Schon«, sagte ich, die Hand immer noch auf dem heißen Blech. »Mein Vater...« Meine Stimme machte nicht richtig mit bei dem Wort – sie fühlte sich rostig an. Aber ich zwang mich weiterzusprechen. »Er hätte das gewollt. Er hätte das toll gefunden.« Ich fühlte, wie es mir den Atem verschlug, und wusste, dass es jetzt kein Zurück mehr gab. Ich sah Walcott
an. »Kann ich dir was erzählen?«, fragte ich ihn und hörte, wie meine Stimme schwankte. Eine heiße Träne fiel auf meine Wange. Mir war klar, dass es jetzt passieren musste.
»Klar«, sagte er und kletterte vom Traktor herunter.
Ich schloss die Augen. Noch nie hatte ich das laut gesagt. Zu niemandem. Und jetzt war es nicht so, dass ich es nicht sagen konnte – ich konnte es einfach nicht mehr in mir behalten. »Er ist gestorben«, sagte ich und fühlte, wie mich die Wucht, die Wahrheit dieser Worte traf, als ich sie zum ersten Mal aussprach. Die Tränen liefen mir nun ungehindert die Wangen hinunter. »Mein Vater ist gestorben.« Die Worte hingen in der Nachtluft zwischen uns. Nicht im Traum hätte ich mir vorgestellt, es so zum ersten Mal auszusprechen. Aber es war so, wie Walcott es gesagt hatte. Die Wahrheit, einem Fremden erzählt, in der Dunkelheit.
»Oh Mann«, sagte Walcott. »Amy, das tut mir so leid.« Ich hörte, dass echtes Gefühl darin lag, und im Gegensatz zu den Beileidsbekundungen der anderen wies ich es nicht zurück.
Ich versuchte ein Lächeln, aber es blieb auf halber Strecke in einem Zittern stecken, und so nickte ich nur. Er ging einen Schritt auf mich zu und ich spürte, wie ich erstarrte. Ich wollte nicht, dass er mich umarmte oder das Gefühl hatte, das tun zu müssen. Doch er nahm nur seine Kopfhörer ab und setzte sie mir auf die Ohren.
Laute, wütende Musik erfüllte meinen Kopf. Schnell, mit einem hämmernden Rhythmus darunter, der die E-Gitarren antrieb. Es gab auch einen Text, aber keine identifizierbaren Worte. Nach meinen ganzen textlastigen Musicals eine richtiggehende Befreiung. Ich umschloss die Kopfhörer mit beiden
Händen, ließ einfach die Musik durch mich hindurchfegen und alle anderen Gedanken hinausdrängen. Als der Song zu Ende war, nahm ich die Kopfhörer ab und gab sie Walcott zurück. Ich fühlte mich so ruhig wie schon lange nicht mehr. »Danke«, sagte ich.
Er hängte sie sich wieder um den Hals, ging zu seinem Traktor und nahm
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