An Alle! Gesucht wird Mörder... Kommissar Morry
Es schien ihr an diesem Morgen besondere Freude zu bereiten, durch den fallenden Nebel zu wandern. Ihr buntes Kopftuch hatte sie fest um den schmalen Kopf geschlungen. Den Mantelkragen hochgeschlagen, so hielt sie sich immer dicht am südlichen Themseufer. Vorbei an der Tower-Bridge. Von dort aus ging sie quer durch die City. Sie mochte beinahe zwei Stunden gewandert sein, als sie vor den Auslagen eines Salons haltmachte.
„J. H. Trillhores-Moden“, flackerte in kurzen Abständen der Name des Geschäftsinhabers aus grellen Neonröhren über den breiten Schaufenstern des Salons auf. Beatrice Shannon fühlte ihr Herz hart gegen die Rippen pochen, als sie das vornehm ausgestattete Foyer des Hauses betrat. Eine superblonde, aufgeputzte Schönheit kam ihr mit einem freundlichen Lächeln auf ihren tiefrot geschminkten Lippen entgegen. Obwohl die Schöne etwas viel Farbe aufgetragen hatte, wirkte sie dennoch auf Beatrice Shannon nicht abstoßend.
„Miß Shannon?“ fragte sie mit klingender Stimme, konnte es aber beim Nähertreten nicht unterlassen, Beatrice Shannon durch ihre getuschten Wimpern hindurch einen prüfenden Blick zuzuwerfen. Mochte sie ruhig! — Beatrice Shannon hielt an diesem Morgen jeder Prüfung in dieser Beziehung stand. Ihr an sich schon hübsches Gesicht war durch den Fußmarsch leicht gerötet, und das erhöhte ihren Liebreiz außerordentlich.
„Well! — Ich bin Beatiice Shannon!“ lächelte sie ebenso freundlich zurück.
„Mister Horney, der Leiter unseres Hauses, erwartet Sie in seinem Büro. Darf ich Sie hinführen?“
„Please! — Sehr freundlich von Ihnen.“
Hüfteschwingend stöckelte die Superblonde vor Beatrice Shannon her. Unauffällig beobachtete Beatrice Shannon den Gang der Frau. Es würde wohl zu diesem Beruf gehören, so rollend einherzugehen, ging es ihr durch den Sinn, und sie fand, daß es ihr nicht allzu schwer fallen würde, diesen Gang zu erlernen. Und es fiel ihr wirklich nicht schwer … Schon ihr erster Versuch vor den kritischen Augen Danny Horneys, der an diesem Tag nicht wiederzuerkennen war und sie mit ausgesuchter Höflichkeit empfangen hatte, befriedigte diesen so sehr, daß er sie bereits für den Nachmittag an einer Vorführung teilnehmen lassen wollte. An dem ihr von Danny Homey vorgelegten Arbeitsvertrag hatte sie nicht das geringste auszusetzen. Sämtliche von ihr zu erwartenden Tätigkeiten waren darin aufgeführt, und Beatrice Shannon hatte ihn ohne Bedenken unterschrieben. So waren die ersten Stunden wie im Fluge für Beatrice Shannon dahingegangen. Nun saß sie zwischen zwei weiteren Mannequins in einem geräumigen Umkleideraum und fieberte mit nervöser Spannung ihrem ersten Auftritt entgegen. Die Superblonde mit dem Namen Maud Coob schien die Neue besonders in ihr Herz geschlossen zu haben. Rührend war sie um Beatrice Shannon bemüht. Keine Gelegenheit ließ sie sich entgehen, um der Anfängerin den Start in das für sie neue Betätigungsfeld so leicht wie möglich zu machen. Für die guten Ratschläge der Frau war Beatrice Shannon immer empfänglich. Wußte sie doch, daß Maud Coob als die beste Kraft in J. H. Trillhores Salon galt. Wieder war es Maud Coob, die mit einem aufmunternden Lächeln ihre gepflegte Hand mit den feuerroten Fingernägeln auf die Schulter Beatrice Shannons legte und sie aus ihrem Grübeln riß: „So, Kleines! — Jetzt nicht nervös werden. Setzen Sie ihr bestes Lächeln auf und schweben Sie, wie Sie es heute morgen Mister Horney vorgemacht haben, über den Steg. Es wird schon nichts schiefgehen. Sollte der Kunde, ich glaube, es ist einer von diesen Leuten aus Cricklewood, Sie mit seinen starren Blicken unruhig machen, dann schalten Sie einfach jegliche Empfindungen ab. Sie werden sofort feststellen, daß es danach sehr einfach ist . . .“
„Cricklewood?“ wiederholte Beatrice Shannon erstaunt und ein wenig entsetzt zugleich. „Liegt dort nicht das Versuchsgelände des staatlichen Air-Mail-Services ?“
„Ganz recht, Kleines! — Oh, Sie kennen sich aber mit der Bezeichnung des Versuchsgeländes, das sich dort bis weit in den Gladstone-Park hinein erstreckt, ganz genau aus. — Na, Sie werden bestimmt Bekannte in Cricklewood wohnen haben? — Ist es nicht so?“
„No! — Ich, — ich . . begann Beatrice Shannon plötzlich zu stottern.
Unangenehme Erinnerungen tauchten durch das Wort Cricklewood in ihr auf. Erinnerungen, die mit ihrem Bruder Eric zusammenhingen. Auch jetzt zeigte sich Maud Coob wieder als eine
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