An den Feuern von Hastur - 9
eine Bewahrerin zu legen, m ü sse ein sofortiges und abschreckendes Exempel f ü r andere statuiert werden, die eine solche Gewalttat im Sinn trugen. Jede Bewahrerin lernte die Verteidigung, die Leonie auf Evans losließ, eine Verteidigung, die buchst ä blich im K ö rper des Mannes ein Feuer entz ü ndete und ihn in wenigen Augenblicken bis auf die Knochen verkohlte.
Aber Ysaye war nicht l ä nger Jungfrau und sowieso nie darin ausgebildet worden, die Laran-Energien durch ihre Kan ä le fließen zu lassen. Deshalb war die Kraft auf Ysaye zur ü ckgeschlagen. Sie hatte mit Ryan Evans gebrannt, und Leonie hatte ihre Qual geteilt.
Wie es schien, war allein die Verbindung zwischen ihr und Leonie Ysayes letzte Klammer zum Leben.
Als Leonie dies klarwurde, sp ü rte sie auch, wie ihr die Kraft entzogen wurde — und wie die Erste Heilerin von Arilinn und die beste ü berwacherin zusammenarbeiteten, um das Band langsam zu trennen.
Nein . fl ü sterte sie vor sich hin, doch man ließ ihr ebensowenig eine Wahl wie fr ü her Ysaye. Der letzte Faden, der sie zusammenhielt, riß, peitschte auf Leonie zur ü ck, schleuderte sie aus der seltsamen Dunkelheit, in der sie erwacht war, und hinaus in die ü berwelt.
Sie erkannte sofort, wo sie war. Da gab es den unruhigen grauen Nebel, die vagen Bilder des Arilinn-Turms, in dem ihr K ö rper lag, und der anderen, weiter entfernten T ü rme — Neskaya, Dalereuth, Corandolis, Thendara. Doch sie war nicht allein hier. Eine andere Frau stand vor ihr, eine sehr d ü nne, hochgewachsene, dunkelh ä utige Frau mit Gesichtsz ü gen, die man bei keiner Darkovanerin fand.
Zu ihrem Schrecken erkannte sie Ysaye nach den paar fl ü chtigen Blicken, die sie mitbekommen hatte, wenn die Sternenfrau in einen Spiegel sah. Und an Ysayes Hand klammerte sich ein sehr kleines M ä dchen, in dessen Gesicht Leonie sowohl Ysayes Erbe als auch das Hastur-Blut wiederfand. Beide, Ysaye und das Kind, waren leicht durchsichtig, und Leonie konnte den weit entfernten Neskaya-Turm durch Ysayes unstofflichen K ö rper sehen.
Du hattest recht, Leonie, sagte die Erscheinung.
Leonie sch ü ttelte den Kopf. Sie hatte sich immer noch nicht von dem Schock erholt, pl ö tzlich in die ü berwelt geschleudert zu werden. Recht womit? fragte sie.
Damit, daß mein Kind nicht aufh ö ren werde zu weinen, bis ich zu ihm k ä me. Ysaye wirkte sehr ruhig, sehr distanziert — auf eine Art, die Menschen nicht gegeben ist. Menschliche Sorgen betrafen sie nicht l ä nger. Du hast bei mir eine Blutschuld, weißt du. Wenn du nicht gewesen w ä rest . dann w ä re Lorill gar nicht erst nach Aldaran gekommen, er w ä re nicht dorthin zur ü ckgekehrt, und wenn ich gegangen w ä re, Ryan Evans zur Rede zu stellen, h ä tte ich einen Mann vom terranischen Sicherheitsdienst mitgenommen. Leonie erschauerte. Damit konnte Ysaye praktisch jede Blutschuld einfordern, die sie wollte. Denn es war nur zu wahr, daß Leonie die gleiche Schuld an Ysayes Tod trug wie Ryan Evans. Vielleicht eine gr ö ßere Schuld. Wenn Lorill niemals eine Rolle in dieser Trag ö die gespielt h ä tte, w ä re alles ganz anders gekommen. Und Lorill war nur deswegen nach Aldaran gereist, weil Leonie ihn dazu aufgefordert hatte.
Was verlangst du von mir? fragte sie kleinlaut. Das war nicht die Ysaye, die sie kannte. Diese Ysaye war von allen Eigenschaften entbl ö ßt, die sie menschlich gemacht hatten. Es ließ sich nicht voraussagen, was sie verlangen w ü rde.
Meine Freunde Elizabeth und David sind von R ä ubern, die in dem alten Turm von Scorpion Point leben, gefangengenommen worden, antwortete Ysaye leidenschaftslos. Du mußt daf ü r sorgen, daß jemand davon erf ä hrt, jemand, der es meinen Leuten weitermelden kann.
Wem soll ich es sagen? rief Leonie, froh, so leicht davongekommen zu sein. Der Bewahrerin von Arilinn? Der Bewahrerin auf Aldaran?
Ysaye sch ü ttelte den Kopf, doch sie hatte den Blick bereits in die Ferne gerichtet, als sehne sie sich ungeduldig danach, anderswo zu sein. Die meisten Terraner glauben nicht an laran. Einer solchen Quelle w ü rden sie nicht glauben. Nein — Kadarin und Zeb Scott sind irgendwo in der N ä he des Ortes, wo man David und Elizabeth festh ä lt, und da ein Geisterwind bl ä st, sind sie f ü r eine Sendung so offen wie eine Relais-Arbeiterin. Sie werden die Wahrheit erkennen und f ü r Hilfe sorgen. Sie sah Leonie gerade in die Augen, und wieder erschauerte Leonie vor dem kalten Licht, das sie darin erkannte. Genug, sagte
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