An den Gestaden von Chaldewallchan - Der Atem des Drachen (German Edition)
um auch Wolfs Schicksal mit einem finalen T o desstoß zu besiegeln. Dieser konnte den glühenden Atem des Speers schon auf seinem Gesicht spüren, als etwas Unerklärliches den Dunkelelfen offensichtlich zwang in seinem Bestreben inn e zuhalten. Unnachgiebig versuchte er seinen Hieb zu vollenden und stemmte sich mit zusammengepressten Lippen gegen die unsichtbaren Ketten, die ihn festzuhalten schienen.
Wie aus dem Nichts bündelte sich ein unnatürlicher Wolkenwi r bel über dem Schiff, der diesen schicksalhaften Morgen mit se i nen ungestümen, konzentrischen Windungen unheilvoll verdu n kelte und dessen stürmische Winde die Gyntiver immer schneller vor sich hertrieben.
-Stirb!- Die donnernden Worte dröhnten in Kasims Schädel.
Er ließ von seinem Opfer ab und taumelte rückwärts, die Hände zur Lind e rung an seine Schläfen gepresst.
Wolf richtete sich langsam auf, sein Gesicht in unendlichem Hass verdunkelt. Weder Adler, der Galina in sicherer Entfernung an den Hauptmast gelegt hatte und nun seinen Bogen auf Kasim anlegte, noch Natas, dessen kindliche Gestalt nichts hätte era h nen lassen von jener beängstigenden Metamorphose, die sich nun vollzog, vermochten ihn von seiner in tiefer Trauer erwac h senen Gier nach Vergeltung abzulenken.
„Bei allen Göttern! Was geht hier vor?“, murmelte Adler und blickte ehrfürchtig in den tobenden Himmel.
Und selbst weit entfernt, jenseits majestätischer, schneeb e deckter Grenzgipfel, im verborgenen Schoß der dunklen Festung blieb solch ein ungewöhnliches Ereignis nicht unbemerkt. Messa und Belsim schreckten aus ihrer tiefen Meditation und starrten in die Dunkelheit, waren sie doch alle drei seit ihrer Geburt durch die Kraft ihrer Gedanken miteinander verbunden, wähnten sie nun ihren Bruder in tödlicher Gefahr und spürten seinen nahe n den Tod angesichts einer ihnen unbekannten Macht.
„Ich spüre es, meine Kinder!“, flüsterte Muriel, die ruhelos am Fenster ihres Schlafgemachs, hoch oben im Hauptturm durch vergilbtes Fensterglas Richtung Norden blickte, „er ist es und er wird stärker!“
Muriel schloss die Augen.
„Mein Sohn!“, flüsterte sie.
Wütend wirbelte sie herum und die lange Schleppe ihres Mantels fegte über den kalten Steinboden.
„Messa! Belsim! Holt euch den Mörder eures Bruders und tötet den Jungen, der ihn begleitet! Egal, wie lange es dauern mag oder wie viele Grenzen ihr überschreiten müsst! Bringt mir das Herz dieses Kindes!“
Tief unter ihren Füßen in den verborgenen Katakomben ve r nahm sie das vorwurfsvolle Wehklagen ihrer beiden Schwestern.
Mit der zerborstenen Klinge fest in der Hand, ohne Rücksicht auf seine Verfassung stürmte Wolf dem Quell seines ausufernden Zornes entgegen, wich dessen halbherzigen Befreiungsschlägen gekonnt aus, um ihm die scharfkantigen Überreste des Schwertes bis zum Schaft in die Brust zu rammen.
Kasim keuchte heiser, als sein Brustkorb sich krampfhaft hob, um die durchbohrte Lunge mit Atemluft zu füllen. Mit weitaufg e rissenen Augen sank der Todgeweihte auf die Knie und starrte dabei in Wolfs unbewegte Miene, der gnadenlos die Klinge aus dem Oberkörper des sterbenden Elfen zerrte, sich energisch um die eigene Achse drehte und ihm mit einem horizontalem Streich die Kehle durchschnitt.
Das Lebenslicht des Elfen erlosch und mit ihm das ewige Feuer des Elfenzepters, das langsam aus seiner Hand rutschte und mit einem letzten Flackern neben ihm liegen blieb, ehe es sich lan g sam zu einer bedeutungslosen, handgroßen Eisenstange zusa m menzog.
Mit einem geheimnisvollen Lächeln auf dem Rücken eines präc h tigen, schwarzen gefleckten Hengstes fegte Kasim über die endl o sen, goldgelben Felder und weitreichenden Grassteppen seiner vergessenen Heimat. Der warme Ostwind strich durch seine langen Haare und liebkoste sein Gesicht. Er war auf dem Weg in seine Heimat. Erlöst schloss er die Augen …
Als Natas das Bewusstsein verlor und völlig entkräftet z u sammensackte, löste sich das bedrohliche Wolkengebilde genauso schnell auf, wie es erschienen war und die gleißenden Strahlen der Sonne fluteten das Schiffsdeck mit ihrem wärmenden Trost.
Adler konnte ihn gerade noch erreichen, fing ihn auf und trug ihn zu Wolf, der apathisch vor dem Leichnam von Hannah kniete. In stummer Trauer verharrte er mit gesenktem Haupt und war j e nem nie gekannten Gefühl schutzlos ausgeliefert, das seine G e danken mit einem bittersüßen Gift vernebelte und sich tief in seinem
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