An den Gestaden von Chaldewallchan - Der Atem des Drachen (German Edition)
Ruder.
„Halt das Steuer gerade, Schankmeister!“, kreischte Floogan zu ihm hin ü ber, lachte wild, packte das kleine Mädchen, das zitternd auf dem Boden kauerte und legte schützend seine Arm um sie.
„Ich hab schon Schlimmeres erlebt. Vertrau mir, Kleine!“, flüste r te er ihr ermutigend ins Ohr und zog fester an dem schl a genden Segel, „die See mag ein stures Frauenzimmer sein, aber bei den Göttern, ich kenne die Weiber! Ich war mit fünf davon verheir a tet und lebe immer noch!“
Mit lautem, verächtlichem Gesang empfing er die harsche Li e besbezeugung seiner Braut, als er ihren feuchten, salzigen Atem auf seinen Lippen spürte und ihre tödl i che Umarmung das Boot unter sich begrub.
Mit beschädigtem Rumpf und gebrochenem Mast sank Floogans Boot schwerelos in die Tiefe, umfangen von der trügerischen Stille atemloser Abgründe, die nur darauf warteten, die zusa m mengepressten Lippen der Ertrinkenden zu übe r winden und sich in ihre schmerzenden Lungen zu ergießen.
Jenseits aller Hof f nung, teilte ein mächtiger Schatten dicht über ihnen die Wasse r oberfläche, ein scharfer Dreizack schnellte aus der Dunkelheit, bohrte sich in den Bug des verlorenen Bootes und beförderte es mit einem derben Ruck wieder an die Oberfl ä che.
Der tobende Anker hätte das altertümliche Fischerboot fast in zwei Hälften gerissen, doch dessen zähes Holz hielt stand und bescherte den Totgeglaubten einen unerwartet wilden Ritt auf den tosenden Wellen im Schlepptau der Gyntiver.
„Ich wusste es!“, triumphierte Floogan mit einem kehligen L a chen und wisc h te sich euphorisch die nassen Strähnen aus dem Gesicht, „noch nicht, mein Schatz! Jetzt noch nicht!“
Marcus hatte immer noch krampfhaft das Ruder umklammert und kon n te es nicht fassen, noch am Leben zu sein. Sprachlos starrte er in den bewölkten Himmel, schloss die Augen und schickte ein inn i ges Dankesgebet zu den Göttern.
„Sie nimmt uns mit auf ihrer Reise, Marcus!“ Floogan umarmte das durchnässte Kind, um es zu wärmen, „sei ganz ruhig! Der Geist Raphaels beschützt uns!“
Unkontrolliert schlingerte das kleine Boot über die aufgebrachte See und widerstand trotzig den derben Schlägen der schweren Brandung im Fahrwasser des Dreimasters. Mit zum Zerbersten gespannten Segeltüchern nahm die Gyntiver weiterhin an Fahrt auf und entfernte sich schnell von der Küste, geradewegs aufs offene Meer hinaus.
„Weißt du überhaupt, wo es hingeht?“, Marcus rieb sich die be i ßende Gischt aus den Augen und versuchte den Kurs zu ha l ten.
„Ich hab keine Ahnung!“, entgegnete der alte Fischer und zuckte mit den Achseln, „aber immer noch besser, als in diesem verla s senen Nest auf die Ankunft des durstigen Borgos zu warten, oder?“
Er grinste Marcus erwartungsvoll an.
„Vielleicht sollte ich genauso viel saufen, wie du, um auf diese alten Legenden zu vertrauen!“, strafte dieser ihn mit verächtl i chem Spott.
„Vielleicht solltest du das!“, bestätigte Floogan und wandte sich mit dem Mädchen im Arm nach vorne, um das breite Heck der Gyntiver zu begutachten.
„Was für` n Schiff!“, schwärmte er, „als wärs direkt aus Scriebe n heym!“
Selbst das verängstigte Kind staunte mit großen Augen über die beeindruckende Größe des Weltenseglers, der mit u n gebrochener Würde der See die Stirn bot.
Vor der Küste Chalderwallchans, lichteten sich die dunklen Wo l kenbänder, das Meer beruhigte sich und der Weltensegler ging in ein ruhigeres Gleiten über.
Unversehens zeigte die See ihr anderes Gesicht, als die ersten, wärmenden Strahlen der Sonne glitzernd auf der friedlichen, sanft wiegenden Wasseroberfläche tanzten und eine milde Brise mal e risch über die herrlich schäumenden Wellenkämme strich.
Floogan richtete sich auf und genoss den Anblick in vollen Z ü gen, bevor er zum Bug seines langsam sinkenden Bootes stap f te und anfing, die schwere Kette des verkeilten Ankers einzuh o len.
„Komm schon!“, forderte er Marcus auf, „wir müssen näher an die Gyntiver ran, bevor der alte Kahn hier sinkt!“
Der Wirt nickte stumm, ließ erleichtert das Ruder los, überquerte vorsichtig das rutschige Deck und half bereitwillig beim kräft e raubenden Einh o len der rostigen Fracht, bis die Kette aus dem Wasser gehievt und stramm gezogen in der Luft pendelte.
„Geh du zuerst! Ich nehm die Kleine und komme nach!“, schlug Flo o gan vor.
Marcus nahm das Angebot dankend an, stieg etwas schwerfällig auf die
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