An den Gestaden von Chaldewallchan - Der Atem des Drachen (German Edition)
deswegen müssen wir da etwas nachhelfen, um nicht zu viel Zeit zu verlieren!“ Eifrig nahm er die verängstigte Frau an der Hand und begle i tete sie zu Kasim. „Hab keine Angst. Er wird dir nichts tun!“, vorsichtig führte er ihre Hand zu der Verletzung, „eine Nadel und Nä h garn dürften helfen, aber das solltest du besser wissen, als ich, kleine Marie!“
„Ich verstehe!“, stammelte sie, griff hastig in eine Tasche unte r halb ihres Rockes und holte ein kleines Kästchen hervor. Mit geübten Handgriffen zog sie einen dünnen Faden durch das feine Öhr einer gebogenen Ledernadel, dann übergoss sie das Utensil mit einer übelriechenden Flüssigkeit aus einer kleinen, kunstvoll verzierten Karaffe und benetzte auch die Wunde damit. Sie setzte den metallenen Dorn an und durchstach vorsichtig die entzwe i ten Hautlappen, fädelte das Garn hindurch, um es mit einem leichten Ruck zusammenzuziehen. Nachdem sie die schmerzha f te Prozedur, ohne eine Reaktion ihres eigenartigen Patienten, Stück für Stück beendet hatte, nahm sie mehrere Kräuter aus ihrem ge-heimnisvollen Behältnis, kaute ein Weile darauf herum und ve r teilte dann den zähen Brei auf der frischen Narbe.
„Das wird die Entzündung hemmen!“, sagte sie leise, wä h rend sie alles wieder sorgfältig in ihrem kleinen Tragebeutel verstaute.
„Wo hast du denn diese kleine nützliche Blume aufgetri e ben?“ Maks wendete sich beeindruckt an den dicken Wirt.
„Ihre Mutter wurde in Elderwall als männermordende Hexe ver-brannt und die Tochter als Dienstmädchen in die höheren Kreise gegeben. Dort habe ich sie dann vor einigen Jahren von einem feinen Herrn, der Geld brauchte, käuflich e r worben. Unter der Hand versteht sich, denn Sklaverei ist natürlich verboten. Sie hat nie von ihrem Dienst am Hofe erzählt, aber aus ihren traur i gen Augen kann man alle Erniedrigungen und Quälereien lesen, die sie dort ertr a gen musste. Sie hat mir einfach Leid getan, also hab ich sie aufg e nommen und in der Küche arbeiten lassen.“
„Ein wahrer Menschenfreund!“, lachte Maks, „ein schlechter Mensch, wer böses dabei denkt!“
Etwas nachdenklich fing auch Gerald an zu lachen, winkte Marie zu sich und führte sie über die Treppe wieder nach oben. Als er sie oben durch die Geheimtür gehen ließ, hielt er sie noch einen Moment fest. „Du hast weder etwas gesehen, noch gehört. Ve r standen?“
„Wie ihr wünscht, Herr!“ Sie nickte zaghaft und verschwand dann zwischen den getrockneten Tierhälften, als ein unerwa r teter Tumult im Schankraum ihn aufhorchen ließ. Eilig ve r schloss er das Versteck hinter sich und folgte Marie, um nach dem rechten zu sehen.
Auch Maks hörte den ungewöhnliche Trubel und das Poltern. Feiner Sand rieselte durch die schmalen Ritze der Bodendi e len, als er interessiert nach oben blickte und sich das Holz unter dem Getrampel mehrerer schwerer Stiefelpaare beden k lich nach unten bog. „Ich denke, wir sollten uns bereit machen, Kasim!“, flüsterte er und blickte besorgt zur Decke.
In dem Wirtshaus herrschte helle Aufregung, als mehrere So l daten des Druidas die Tür auftraten und sich hektisch Zutritt ver-schafften. Der Musikant in der Ecke unterbrach abermals e r schrocken sein Spiel und flüchtete sich unter einen der nahegel e genen T i sche, während die anwesenden Gäste sichtlich nervös ihre Gesichter in den Schatten des spärlich beleuchteten Wirt s hauses verbargen.
Zwei schwerbewaffnete Krieger stützten einen älteren Mann, des-sen blutiges Bein unschöne Spuren auf dem Boden hinterließ, als sie ihn hinkend in Richtung des Tresens schleppten. Seine präc h tige Rüstung deutete darauf hin, dass er der Anfü h rer des kleinen Trupps zu sein schien.
„Schnell! Wo ist der Besitzer dieses Hauses?“, stöhnte der vol l bärtige Hauptmann.
„Womit kann ich euch zu Diensten sein, ehrwürdige Herren?“ Gerald setzte ein strahlendes Lächeln auf, als er unter der Treppe hervortrat.
„Spart euch eure Floskeln!“, erwiderte der Verletzte, „ich brauche Verpflegung und frische Pferde für meine Männer! Im Namen Elderwalls!“
Der beleibte Wirt winkte aufgeregt einem Knecht, der im hint e ren Teil des Raumes einen Tisch reinigte. „Lass das sein und kümmere dich um die Tiere unserer Gä s te!“, rief er ihm zu.
Der junge Mann beendete seine Tätigkeit und lief eilig aus der Tür, um die ihm aufgetragene Arbeit zu erledigen.
„Meine Mädchen werden sich um eure Verpflegung kü m mern!“
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