An den Rändern der Zeit (German Edition)
hineinfraß …
Varian war schwer zu beleidigen. Überhaupt war er daran gewöhnt, dass man ihn mit Schimpfnamen belegte, in denen auf seine offensichtliche Jugend angespielt wurde; er hätte gern älter gewirkt, aber so nahm er die Beleidigungen in der Regel als Komplimente. Auch Kosenamen bezogen sich häufig darauf. Casimiria nannte ihn gern mein lieber Junge , von seinen Mätressen her waren ihm die Bezeichnungen Teufelsbubi oder Satanslümmel geläufig. Sicher wegen seiner wilden Spiele im Bett.
„Hab dich lange nicht gesehen“, begann er wieder. „Wird’s nicht langsam Zeit, dass du die Führung deines – Unternehmens an die jüngere Generation übergibst? Sieh den Tatsachen ins Gesicht: Du bist nicht mehr fit genug, um diese Sache hier zu leiten. Jedes Mal wird es schlimmer und schlimmer für dich, und es hat einfach keinen Zweck, dass du weitermachst!“ Unter dem spielerischen Ton, den er anschlug, lag ein stählerner Ernst. Einen Augenblick lang war er über sich selbst verblüfft, und das schien B.C. nicht zu entgehen; ihre mit einer schwachen Eisschicht überzogenen Brillengläser richteten sich direkt auf ihn. Ihm wurde unbehaglich zumute.
„Dieser Zug ist nicht für Rotzjungen wie dich bestimmt“, sagte sie. „Bestimmt fragst du dich, wieso ich dich nicht abmurkse. Aber weißt du … irgendwie hab ich mich an dich gewöhnt. So wie an eine Schmeißfliege, die auch in dem saubersten aller Klos immer wieder herumschwirrt.“
Varian hatte nicht geglaubt, dass das Alien überhaupt lachen konnte, aber jetzt tat sie es. Ein seltsames, raues Geräusch. Ihre sehr langen, bläulich angelaufenen Hände – warum trug sie keine Handschuhe so wie er? – öffneten und schlossen sich in rascher Folge. Er besah sich das mit noch größerem Unbehagen. Zweifellos litt sie unter der Zeitkälte mehr als er, aber sie war nicht gerade schwach; ihre unnatürliche Stärke übertraf die seine, natürlich-männliche um einiges. Er fragte sich tatsächlich, wieso sie ihn nicht einfach um die Ecke brachte.
Das Lachen hatte B.C. erwärmt, und auf einmal erinnerte sie sich wieder.
„Also gut, jetzt im Ernst. Casimiria ist der Grund, weshalb du noch lebst“, erklärte sie seelenruhig. „Sie hängt an dir und liebt dich. Unlogischerweise, aber wir wissen ja, dass Liebe so gar nichts mit Logik zu tun hat.“
Ihre Worte hatten eine ungeheure Wirkung auf den leichtfertigen Spötter Varian, den eloquenten Scherzkeks.
„Du … DU kennst MEINE … meine Casimi…“
„ICH nenne sie Cathy“, unterbrach B.C. „Allein schon deshalb, damit du und ich uns unterscheiden. Rotzjunge.“ Das Alien entblößte die Zähne, grinste ihn an.
Varian war ziemlich fertig. Eine Welt stürzte für ihn zusammen.
B.C. nutzte seine Sprachlosigkeit (für gewöhnlich quatschte er sie halbtot, was sie beinahe wahnsinnig machte) und bemerkte scharf und schnell „Was hast du denn gedacht. Hast du geglaubt, sie sei blöd? Sie ist weitaus schlauer als du, Rotzjunge. Wir sind schon seit Monaten in Kontakt, und sie weiß verdammt nochmal mehr über meine Erfindung als du je wissen wirst, und wenn du dein Spatzenhirn noch so sehr anstrengst. ICH halte verflucht wenig von dir, das ist dir ja klar. Aber für SIE warst du damals zur rechten Zeit am rechten Ort. Nun musst du das wieder sein. Sie ist in Gefahr.“
Urplötzlich erhob sie sich geschmeidig und verließ das Abteil, das sich hinter ihr aufzulösen begann. So war es immer, und Varian folgte ihr eilig, doch ihre Worte wollten noch immer nicht in sein Hirn.
„Das ist doch ein Trick!“, brüllte er und geriet völlig außer sich. „Du hast ´nen Lauschangriff auf uns gemacht, darum kennst du …“
„Halt´s Maul“, unterbrach ihn B.C. und verpasste ihm eine Ohrfeige, die ihn zu Boden schmetterte. Sie grinste frostig auf ihn herab.
„Etwas steckt in dir, sonst wärst du nicht hier.“ Sie streckte ihm ihre langfingrige Hand hin. Er packte sie nach kurzem Zögern und wurde von ihr wieder auf die Beine gestellt, woraufhin sie ihn sofort losließ, mit leicht verzerrtem Gesicht.
„Ich hoffe, ich muss dich nicht nochmal anfassen. Hör mir jetzt gut zu, Rotzjunge. Ich weiß nicht, ob ich es nochmal wiederholen kann. Immerhin stelle ich erfreut fest, dass du nicht an dieser um sich greifenden Schwerhörigkeit leidest. Also, ich nehme mal an, dass dir mein Schicksal scheißegal ist, aber das deiner Freundin ruft doch irgendeine vage Emotion in dir wach, oder?“ Oh, wie sie es hasste,
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