An den Rändern der Zeit (German Edition)
Dadurch habe ich es leichter in der Augenwelt. Leichter als sie.
Sie sprach mit ihr nie darüber. B.C. hatte keine Ahnung, wie hoch Casimiria ihr das anrechnete, denn im Vergleich zu der starken und unabhängigen Freundin fühlte sie sich wie das Anhängsel eines jungen Mannes, nutzlos, im Grunde schmarotzerhaft.
Du bist wertvoll, sagte jedoch B.C. jedes Mal zu ihr, nicht mit Worten.
Casimiria nahm all ihren Mut zusammen und begann: Ich hatte einen wichtigen Traum … eine Botschaft kam zu mir …
Moment! Sage sie noch nicht! Das kam rau und scharf.
Erics Hand fuhr an sein Ohr, um den Kristall noch tiefer hineinzupressen – doch da war nur noch ein Piepsen, das ihn verhöhnte.
Verdammt. Sie ist noch klüger als ich dachte. Jetzt würde es eine Reihe von Sekunden dauern, bis er per Zufall die Frequenz wiedergefunden hatte.
Abschnitt 8
B.C. wechselte die Frequenzen mehrfach, und sie ging dabei nach den strengen Gesetzen der Metamathematik vor, nutzte den siebendimensionalen String-Effekt. Ha. Das dürfte genügen. Sie gab Cathy grünes Licht für ihre Botschaft, lauschte ihr und murmelte dann: Antwort als Hexen-E-Mail. Wird sofort gelöscht. Eric kann sie nicht verfolgen, ich sorge dafür, Cathy. Du hast 24 Sekunden Zeit, ab jetzt. Finish.
Und noch während sie sprach, tippte ihre langfingrige rechte Hand blitzartig verschiedene Codes in ein zigarettenschachtelkleines Notebook mit dem Touchscreen-Keyboard. Jetzt profitierte sie doch sehr von jenen Tätigkeiten in den Programmierpools, wo sie als Virenspezialistin ebenso geschätzt wurde wie als Erfinderin immer neuer kryptologischer Nachrichtenkürzel.
Eric prallte zurück, als auf seinem veralteten Flachbildschirm urplötzlich ein voller roter Mund erschien, der ihm die Zunge herausstreckte. Das Flackern links unten zeigte ihm an, dass B.C. gerade eine gewöhnliche E-Mail an ihre „Cathy“ verschickte, aber er konnte nicht darauf zugreifen, sein Rechner war blockiert durch ein gezähmtes Wild-Virus, geradezu eine paradoxitesimale Glanzleistung. Er riss sich den fiependen Kristall heftig heraus – es tat weh bis tief in den Gehörgang hinein.
*
Hastig rollte Casimiria ins Schlafzimmer, wo Varians Kommunikationsrechner in die Wand eingelassen war; wie immer im Standby-Modus. – Ihr lieber Junge forderte sie immer wieder auf, an einer Globnet-Plappergruppe teilzunehmen, just for fun, aber Casimiria hatte einfach keine Lust dazu. Jetzt hüpfte sie über das Sprachbefehlsprogramm so schnell wie möglich in die E-Mail-Ebene. 24 Sekunden. Die flimmernden Buchstaben wogten hin und her und entschlüsselten sich dann vor ihren Augen, was mehrere der kostbaren Sekunden in Anspruch nahm.
x-konstante, las sie, paradoxon aus der elementarmathematik. X ist ein veränderlicher, eine konstante hingegen ein unveränderlicher wert. Secret-key-name für meine erfindung, als sie noch rein war. Muss zu ihr. Bei festnahme: Widerstand in der Stille! Löschen!
Nach exakt 24 Sekunden tanzten die Buchstaben einen wilden Hexenreigen auf dem Monitor, ehe sie sich in Nichts auflösten.
*
Nur das allerletzte Wort konnte Eric noch rekonstruieren, nachdem er das Wilde, seine Metaform ständig ändernde Programm rausgefeuert hatte, und er fluchte laut … grinste dann aber, denn sein Zufallssuchprogramm meldete ihm nun den Underground-Schlupfwinkel dieser Cathy-Missgeburt. Und B.C.? LÖSCHEN. Sie war wirklich zu klug. Doch wenn ihn nicht alles täuschte, dann würde sie mit ihren ganz besonderen Schwierigkeiten nicht so schnell fertigwerden … selbst sie nicht.
Er fuhr auf seinem drehbaren Stuhl herum.
„RUHE, verdammt! Wieso geht das hier zu wie in einem Nest voll verrückt gewordener Ratten?“
Ein Dutzend Amtsleute starrte ihn an, halb beleidigt, halb begriffsstutzig. Aber für einen Moment war es still.
Eric machte sich wieder an die Durchführung seines Plans. Er gab einen eminent wichtigen Befehl heraus, Dringlichkeitsstufe 1. Behandlung des Individuums „Currer“ (gefälschter ID-Chip) nach dessen Ergreifung.
(An der es keinen Zweifel gibt, dachte er).
*
B.C. konnte nur hoffen, dass die Message bei Cathy richtig angekommen war. Das war alles, was einem übrigblieb, wenn man per Zufall aufgestöbert worden war. Man konnte nur hoffen.
Sie machte sich fertig zum Aufbruch. Einen scheußlichen rotlila Schal wickelte sie sich um den Hals, zog die Thermolederhose über ihre Blackjeans, überzeugte sich davon, dass sie ihre Notration
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