Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
An den Springquellen

An den Springquellen

Titel: An den Springquellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
Vom Netzwerk:
murmelte Necron. Niemand hörte ihn.
    Das Echo der gräßlichen Dämonenworte verklang. Seine Schläfen schmerzten, als er sich überlegte, daß er das Richtige getan hatte, als er den anderen um ein Zeichen gebeten hatte. Nicht gebeten – aufgefordert. Der andere wußte, daß er sich in der Düsterzone befand.
    Jetzt mußte er einen Zauber der Konzentration finden, der es ihm ermöglichte, durch die Augen des anderen zu sehen.
    Er war das unschuldige Opfer Achars. Dem Dämon zu entkommen, war ungeheuerlich schwer, aber nicht unmöglich.
    Necron sagte:
    »Schlaf. Ruhe! Dann sehe ich weiter. Auf dem Rücken des Yarls wird mich niemand überfallen.«
    Er ging in die winzige Kammer, die man ihm zugewiesen hatte. Er schlief auf der untersten Ebene, dort, wo die Krieger hausten, die mit dem Yarl Prinz Odams dem Niemandsland entgegengetragen wurden.

    *

    Aus dem Spiegel, einer polierten Metallscheibe, sah ihm sein Gesicht entgegen; ab und zu wirkte es noch immer fremd auf ihn. Er rieb sich schwarze Farbe in den Haaransatz und in den Bart, dort, wo das Haar fast weiß nachgewachsen war. Einen Rest verteilte er, mit etwas Öl aus der Lampe vermischt, auf seiner Gesichtshaut. Dann stieß er ein zufriedenes Brummen aus. Aus dem fast weißhaarigen Luxon war der schwarzbärtige Arruf geworden, als der er im Hochzeitszug, bei den Orhakenreitern des Shallad und bei den räubrischen Nomaden bekannt war. Draußen herrschten die Geräusche eines planvollen Aufbruchs.
    »Sie warten nicht auf uns. Die Reiter sind schon unterwegs!« sagte Uinaho und kam ins Zelt, einen Wasserkrug in der Hand.
    Kaum hatten sie das Zelt verlassen, fingen die Frauen an, die Zeltstangen herauszureißen und auf dem Fuhrwerk zu verstauen. Ein einzelner Reiter galoppierte heran und hob den Arm. Es war der Stammesanführer. Mit einem langen Blick kontrollierte er schweigend und mit drohendem Gesichtsausdruck die letzten Arbeiten. Er deutete auf den Wagen und rief:
    »Ihr könnt auf dem Fuhrwerk mitfahren. Auch unsere Gäste können bei der Arbeit Hand anlegen.«
    »Gemach!« rief Arruf zurück. »Wir helfen, wenn wir wissen, wo wir anpacken müssen.«
    »Überall gibt es etwas zu tun! Wir sind in Eile!«
    Uinaho und Arruf stemmten die schwersten Lasten auf das einfache Gefährt, vor dem lustlos ein zottiger Ur scharrte. Nomaden kletterten auf den Kutschbock. Ächzend und knarrend rollte der Wagen an. Er wirkte, als würde er bald als Feuerholz dienen können. Der Herrscher über zweihundert Elejider ritt einmal in einem weiten Kreis um das verlassene Lager; er sah nichts als die geschwärzten Steine erloschener Feuerstellen.
    Unhörbar sagte Uinaho zu Arruf:
    »Für uns fängt eine wenig schöne Zeit an. Am Ende der Irrfahrt sind wir Gefangene oder tot.«
    »Ganz sicher, wenn Elejid entdeckt, daß eine seiner Frauen mit dir zusammen flüchten will.«
    Arruf machte eine Bewegung, die den langen Zug aus Reitern, Urs und zu Fuß gehenden Gestalten umfaßte.
    »Welche mag es sein? Maldra wird ein Zeichen geben – hoffentlich nicht am hellen Tag und unter den Augen ihres Herrn.«
    Stundenlang wand sich der weit auseinandergezogene Stamm durch die Landschaft zwischen Heerstraße und dem Fluß Largin. Die Spitze der Karawane deutete recht genau nach Südwesten. Die riesigen Urs schleppten nicht nur einige Reiter, sondern gewaltige Lasten, die mit Gurten und Seilen auf ihren breiten Rücken befestigt waren. Sandflächen lösten sich mit grünen Weiden ab, wüstenartige Stücke wurden von kleinen Wäldern unterbrochen, aus Ebenen erhoben sich bewaldete Hügel, in deren Tälern schmale Bäche plätscherten. Einige Reiter trieben Wild zusammen und erlegten Hasen und schmächtiges Rotwild mit struppigem Fell und langem Gehörn. Wind kam auf und brachte Gerüche nach kalten Lagerfeuern und feuchten Wäldern mit sich.
    Immer wieder sprengte ein einzelner Reiter oder eine Gruppe Nomaden in ihren flatternden Burnussen entlang der Karawane. Der Stamm war das Wandern gewöhnt, seine Angehörigen schienen den langen Weg nicht eine Stunde lang als Strapaze zu fühlen. Arruf und Uinaho thronten auf dem wackelnden Ballen und den Zelthäuten und versuchten, in der abwechslungsreichen Umgebung Zeichen zu entdecken, Hinweise oder versteckte Gefahren. Maldra gab kein Zeichen, keine der Frauen des Stammes kümmerte sich um die beiden Fremden. Arruf dachte über den letzten Kontakt mit dem Augenpfänder nach und erinnerte sich, daß aus den Worten des Rachedämons diabolische Vorfreude

Weitere Kostenlose Bücher