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An den Springquellen

An den Springquellen

Titel: An den Springquellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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auf kommende Ereignisse herauszuhören gewesen waren – auf Ereignisse, die nur gefährlich und bösartig sein würden.
    Als der Wagen sich rumpelnd und stoßend über einen flachen Hang abwärts bewegte, deutete Uinaho nach links.
    »Der Fluß!« knurrte er. Rätselhafterweise fühlten beide Männer die Nähe einer dunklen Gefährdung. Sie vermochten nicht zu sagen, was der Grund für dieses Empfinden war. Arruf sah auf die Biegung des Largin hinunter, und fast gleichzeitig sah er:
    »Die Elejider sind aufgeregt. Dort sind Fremde.«
    Von der Spitze des Nomadenzugs galoppierten etwa ein Dutzend Reiter auf das Flußufer zu. Ein breiter Saum großer Bäume und ebenso ausgedehnte Streifen binsartiger Gewächse befanden sich zwischen dem trockenen Land und dem schäumenden Wasser. Eine größere Gruppe Menschen bewegte sich unter den Bäumen. Sie wirkten arm und schutzlos und gerieten in Aufregung, als die Reiter heranstoben, ihre Speere nach vorn gerichtet. Dicht vor den Fremden zügelten Elejid und seine Nomadenkrieger die Pferde.
    Das letzte Drittel der Karawane bewegte sich in unverändertem Tempo weiter. Die Nomaden auf den Urs und die Frauen und Kinder dazwischen, die zu Fuß wanderten, kümmerten sich nicht sonderlich um die Fremden am Flußufer. Angestrengt spähten Arruf und Uinaho hinüber zur Furt.
    »Kennst du die Fremden?« brummte Arruf. Nach einigem Zögern erklärte Uinaho, sich an den schwankenden Ballen festhaltend:
    »Es könnten Flüchtlinge sein.«
    »Die Welt ist voller Flüchtender«, sagte Arruf und nahm die Augen nicht von den unruhigen Reitern, die ständig zwischen den Fremden hin und her ritten und sie zwangen, auseinanderzurennen und zu springen. »Woher? Aus welchem Land?«
    »Ich habe gehört, daß viele aus dem Land geflüchtet sind, in das sich die Düsterzone ausbreitete. Jetzt wollen sie vielleicht zurück.«
    »Eine denkbare Erklärung!«
    Jenseits der Furt – am gegenüberliegenden Ufer standen einige Flüchtlinge und winkten schreiend – ragten einzelne Felsen und dahinter langgezogene Steinbarrieren auf. In ihren Spalten wuchsen verkrüppelte Büsche und lange, herunterhängende Ranken. Als ob die Flüchtlinge sie nichts angingen, bewegten sich die Nachzügler der Nomaden achtlos an der Furt vorbei, drei, vier Bogenschußweiten entfernt. Ein Reiter löste sich und galoppierte auf den Wagen zu. Das Fahrzeug bildete inzwischen den Schluß der Karawane. Neugierig warteten Uinaho und Arruf.
    »Habt ihr sie gesehen?« rief der Nomade zur schwankenden Ladung hinauf. Die Holme des Wagens bogen sich und krachten bedrohlich.
    »Wer sind sie?«
    »Flüchtlinge. Sie wollen über den Fluß. Zurück in die Düsterzone. Sie müssen vom Wahnsinn geschlagen sein.«
    »Warum? Zurück in die Heimat!« sagte Arruf und dachte voller Schaudern an seine Erlebnisse in der Düsterzone. »Die Heimat ist nicht zu ersetzen.«
    »Sie sind arm«, rief der Reiter und spuckte voller Verachtung aus. Er riß sein Pferd herum und sprengte entlang der Nachzügler in die Richtung der Spitze. Nicht zu Unrecht vermuteten die Männer des Hochzeitszugs, daß er damit ausdrücken wollte, daß es sich nicht lohnte, sie zu überfallen. Leise meinte Arruf:
    »Ich glaube nicht, daß uns jene rechtlosen Flüchtlinge helfen werden.«
    Finster und entschlossen gab der Heerführer zurück:
    »Sie haben uns die Waffen gelassen. Ich denke, wir werden uns selbst durchschlagen können.«
    »Die Augen werden wir stets offenhalten müssen«, entschied Arruf. »Der Weg zum Ziel ist nicht nur weit, sondern verdammt beschwerlich. Beim Schwertmond!«
    »Du sagst es. Aber es ist nicht neu für dich, mein Freund.«
    »Nein. Es ist alltäglich.«
    »Diese Flüchtlinge«, begann Uinaho und massierte die Schläfen seines haarlosen Schädels, »sie sind arm, können sich nicht wehren, werden von jedem, der ein Schwert halten kann, geschunden. Ein schweres Leben hier an der Grenze zur Düsterzone.«
    »Ich ziehe es vor«, entgegnete Arruf kühl, »mir mehr Gedanken über unser Leben zu machen. Es ist nicht weniger schwer.«
    »Du hast recht.«
    Danach schwiegen sie wieder. Die Reiter zogen sich von der Furt zurück. Das Aussehen des Geländes entlang des westlichen Ufers wurde zusehends felsiger und wilder. Zerklüftete Felsen lösten die Waldstreifen und die Schilfzonen ab. Der Fluß verschwand gegen Mittag in seiner ganzen Breite in einem schwarzen Loch in einer zerklüfteten Felswand. Von dem Standort des erbarmungswürdig ächzenden Wagens

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