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An den Springquellen

An den Springquellen

Titel: An den Springquellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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– du – zu – Hrobon – auf – den – Rücken – des – Yarls – gekommen – bist.
    Die Hand wischte über den Sand und tilgte die Buchstaben. Neben der Hand schob sich ein Stiefel ins Blickfeld. Als der Augengegner Necrons den Kopf hob, um zu erkennen, wer vor ihm stand, verschwand das Bild.
*
    Hrobon, der Mann aus dem Heymalland! schrie es lautlos in Arrufs Gedanken. Er begegnete dem Blick Elejids, der vor ihm stand. Der Stammesanführer hielt einen Becher in der Hand und in der anderen eine dampfende Hasenkeule, aus der Speckstreifen hervorsahen.
    »Ein angenehmer Tag für euch. Schlafend auf dem Wagen!« sagte er grollend. »Was gedenkt ihr morgen zu tun?«
    Der Stamm lagerte auf einer sandigen kleinen Ebene zwischen Felsen und Dornbüschen. Wachen mit lodernden Fackeln gingen gemessenen Schrittes zwischen den weidenden Reit- und Zugtieren hin und her.
    »Niemand hat uns aufgefordert, zu arbeiten«, entgegnete finster Uinaho. »Trotzdem haben wir Holz gesammelt, das Feuer unterhalten und einige Zelte aufgeschlagen. Ich hoffe, es genügt.«
    »Für die Nacht wird’s reichen«, meinte der Anführer und spuckte einen Knochen aus. »Man hat mir berichtet, daß ihr euch von den Frauen ferngehalten habt.«
    »Wir gehorchten deinem Wunsch«, erklärte Arruf. »Wo sind wir? Ich meine, wie lange dauert eure Wanderung noch?«
    »Unsere Wanderung dauert zwölf Monde lang, Jahr um Jahr«, wich der Häuptling aus. Er lachte roh. »Ihr wollt zurück zum Hochzeitszug? Zu Fuß… ihr würdet verhungern und verdursten!«
    »Nein. Unser Ziel ist Shaer O’Ghallun«, antwortete Arruf fest. »Du hast versprochen, uns den Weg zu ihm zu zeigen.«
    »Wer vermag zu sagen, was der morgige Tag bringt?«
    »Beim Sand der Dünen«, knurrte Uinaho und vermied es, in die Augen einer Frau zu blicken, die ihm kleine Fleischstücke, einige verschrumpelte Früchte und eine Handvoll salziger Nüsse gab. Er blickte unverwandt den Häuptling an. Es war für ihn sicher, daß Elejid Böses im Sinn hatte. »Dein Witz ist wie der Biß einer Schlange, und dein Humor grenzt an Verwegenheit.«
    »Man sagt es«, bekräftigte Elejid und ging weiter. Von herkömmlichen Höflichkeitsregeln schien er wenig oder nichts zu halten. Die Frau beugte sich zu Arruf herunter und flüsterte, während ihre flinken Finger Brotfladen zusammenrollten und Salz darüberstreuten, nur wenige Worte. Arruf schrak zusammen; es war Maldra in schwarzer Kleidung.
    »Wir fliehen, bevor wir die Springenden Quellen…«
    Lautlos huschte sie weiter. Etwa eine halbe Stunde später fühlte Arruf, wie ein fremder Wille nach seinen Augen griff. Die Dunkelheit vor einem solchen Kontakt, das scheinbare Erblinden, verlief jetzt nicht mehr schmerzhaft, und er erschak nicht einmal mehr.
    Eine Dolchspitze wurde sichtbar. Wieder ritzte der Unbekannte Worte in eine Mauer mit großer Oberfläche.
    Hrobon – ist – auf – Prinz – Odams – Yarl – wer – bist – du?
    Wieder ein anderes Bild. Eine kleine Kammer mit einer fensterähnlichen Öffnung, vor der langsam exotische Bäume vorbeiglitten. Es war Dunkelheit auch dort, auf dem Yarl. Die Kammer wurde dürftig von Öllampen, die Blätter der Bäume von den Fackeln der Krieger schwach beleuchtet. Als Arruf das letzte Wort gelesen hatte, sagte er sich, daß er einen Weg finden mußte, eine Methode, um seinerseits die Macht über die Augen seines Pfänders ergreifen zu können.
    Der andere ritzte noch eine Reihe von Worten ein.
    Ich – werde – dich – töten – müssen – um – die – Herrschaft – über – meine – Augen – zu – behalten. Arruf dachte nach. Er konzentrierte sich, noch immer vor dem Feuer sitzend. Er vergaß den Lärm, den die Noniaden machten. Seine Gedanken beschäftigten sich mit der Entfernung, mit einer abwegigen Suche im Dunkel, mit seinem Gegner. Irgendwie war es ihm, als springe er in ein schnell dahinschießendes Wasser, das zu seinem Ziel führte. Plötzlich wußte er, wie er sich wehren konnte.
    Der andere blickte wieder durch seine Augen. Arruf schrieb in den Sand:
    Ich – bin – am – Largin – in Honen – bei – den Elejidem. Wo – bist – du?
    Sofort sah er wieder durch die anderen Augen. Zeige – dich – im – Spiegel . Arruf mußte, trotz der vorübergehenden Blindheit grinsen. Er rechnete damit, um sein Augenlicht ebenso kämpfen zu müssen wie an anderer Stelle um sein Leben. Trotzdem erfüllte ihn der Gedanke an das, was der andere sehen würde, mit grimmiger Genugtuung.

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