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An den Springquellen

An den Springquellen

Titel: An den Springquellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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schüsselförmiger Talkessel. Er war zur Düsterzone hin und nach Osten durch phantastische Felsen und Steinhaufen begrenzt. Eine einzelne, schlanke Pyramide aus vielfarbig gestreiftem Lavagestein überragte die Tiefebene. Halbmondförmig schlossen sich bizarre Felsen mit Löchern an, die an Augen erinnerten, an aufgerissene Rachen und Mäuler mit spitzen Zähnen und an finstere, geheimnisvolle Öffnungen der Erde. Wie achtlos ausgegossene Farben flossen Flächen aus schwarzem, gelben und rotem Sand durcheinander und ineinander. Arrufs Augen schilderten dem Unbekannten, daß es dort unten, etwa eine halbe Tagesreise weit entfernt, kleine und große Teiche und Tümpel gab, von denen jeder eine andere Farbe hatte. Das Sonnenlicht spiegelte sich in ihnen und ließ ihre Oberfläche grell aufstrahlen und schimmern. Der Eindruck des absolut Fremden und Gefährlichen bot sich schon von hier, und von dieser Stelle ganz besonders deutlich. Zwischen den Tümpeln und den Sandflächen, die aussahen wie erstarrte Wellen, stießen die Springenden Quellen in die Höhe. Die Wassersäulen wirkten wie Nadeln aus Kristallen, die an den Spitzen auseinanderfaserten und langsam, als Regen, Nebel oder Wassertropfenhagel, zum Boden herunterstürzten. Das grelle Sonnenlicht ließ in der Höhe, dort, wo sich das aus großer Tiefe gewaltsam hochgeschleuderte Wasser ausbreitete, vielfarbige Abschnitte von lodernd leuchtenden Regenbogen entstehen. Abseits der nassen Sandflächen, durch die das Wasser schnell versickerte, sahen der Pfänder und Arruf einige Zelte, Wagen, Lagerumzäunungen, Tiere und Gruppen von Nomaden.
    Dann hob Elejid, der auf seinem scheckigen Pferd an der Spitze der Karawane ritt, den Arm und senkte ihn ruckartig wieder.
    Die Nomaden schlugen den Weg zu den Springenden Quellen ein.
    Arruf gestattete, ohne sich im geringsten zu wehren, seinem Pfänder einen langen und intensiven Blick auf die Zone des nassen Todes. Die Fontänen, manche von ihnen hundert Mannslängen hoch, hoben und senkten sich, entstanden und verschwanden, kamen und gingen nach einem unergründlichen Rhythmus. Während der Fremde durch seine Augen blickte, dachte Arruf darüber nach, wie Uinaho und er – und, mit weniger eigener Besorgnis – und Maldra diesen mörderischen, unberechenbaren Wasserstrahlen entkommen konnte.
    Übergangslos wechselte das Bild.
    Arruf sah, was der unbekannte Fremde erblickte:
    Es war, mehr oder weniger, dasselbe Bild. Nur kleiner und aus einem anderen Winkel wahrgenommen. Die Sonnenstrahlen und deren Licht, das die exotische Landschaft überflutete, waren deutlich, also befand sich der dahinlaufende Yarl bereits jenseits der Düsterzone. Arruf, der kurzzeitig blind war, hoffte, daß der Pfänder sich den Springenden Quellen ebenso weit genähert hatte wie der Zug der Nomaden, denn er wußte, daß die riesigen Yarls schneller liefen als alles, was er kannte.
    Necron versuchte, mehr Einzelheiten zu erkennen.
    Da waren die Felsen und das Halbrund der Steine. Ein Wall, der es jedem schwierig machte, nach Süden oder in die Richtung zu entkommen, in der Weddon lag, über die Grenze. Ganz rechts, zwischen den gigantischen Hauern und Zähnen, den nadelscharfen Klippen im Nebel des zerstäubten Wassers, gab ein breiter Durchgang einen zweiten Blick auf die Fontänen frei.
    Der Kontakt riß ab.
    Beide hatten genug sehen können. Arruf hatte während der letzten Herzschläge sehen können, daß sein Pfänder auf einer der höchsten Zinnen der Ansammlung von Würfeln, Treppen, Häusern und Plattformen auf dem Rücken des Yarls stand und nach Osten blickte. Die Schatten bewiesen es.
    Nachdenklich wandte er sich an Uinaho.
    »Höre gut zu, mein Freund«, sagte er. »Elejid und seine Nomaden werden uns zwingen, dieses Gebiet zu durchqueren.«
    »Nichts anderes denke auch ich!«
    »Wir werden es schaffen, den hochschießenden Fontänen auszuweichen. Ich bin sicher. Du, so scheint mir, glaubst mir nicht recht.«
    »So ist es!«
    »Die Horier werden uns hindurchjagen. Wer überlebt, ist unschuldig. Ich vermag bei mir und dir keine Schuld zu sehen. Also werden wir überleben.«
    »Ich warte, wohl oder übel, auf den Wahrspruch Illanens«, antwortete fatalistisch der Ay. »Zusammen mit dir.«
    »Und mit der armen Maldra«, knurrte Arruf. »Sie wird es am schwersten haben.«
    »Vielleicht können wir ihr helfen.«
    »Vielleicht!«
    Reiterjagten entlang des kurzen Zuges der Nomaden hin und her. Auch die Urs witterten die Feuchtigkeit und die

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