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An den Springquellen

An den Springquellen

Titel: An den Springquellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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zusammengebissenen Zähnen murmelte er drohend zurück:
    »Schweige! Später! Du bringst uns in Lebensgefahr, Närrin!«
    »Ich komme wieder!« zischte sie. Uinaho und Arruf erstarrten und sahen sich kurz an. Langsam wandte Elejid den Kopf und blickte zu ihnen herüber. Aber sie taten so, als sei nichts geschehen. Sie lagen ein wenig abseits des Feuers zwischen runden Steinen, unter denen Moospolster und zahlreiche feuchte Gräser wuchsen. Hinter den Steinen bohrte ein großer, halbkugeliger Dornbusch seine Stacheln in die Nachtluft. Leuchtender Eppich wand sich durch die stacheligen Ranken und entfaltete jetzt seine kleinen, weißen Blüten.
    »Verdammt!« brummte der Ay, noch eine Spur leiser. »Ich gehe und gestehe Elejid, daß uns seine Frauen belästigen.«
    »Warte noch«, murmelte Arruf. »Immerhin eine Möglichkeit.«
    Ein einzigesmal hatte er am Nachmittag die Augen des anderen übernommen. Der Fremde, zusammen mit Hrobon, jagte auf einem Yarl durch eine Gegend, die jener stark ähnelte, in der sie jetzt rasteten. In der Nacht würde einer der Augenduellanten vor dem andern Ruhe haben.
    »Was tun?«
    »Wir verhalten uns weiter so, als wären wir geduldete Fremde. Aber heute wird mir Elejid etwas berichten«, sagte Arruf lauter, stand auf und schlenderte zum Feuer hinüber. Seinen Mantel ließ er bei Uinaho zurück. Der Häuptlich sah ihn kommen, nahm einem Nomaden den Becher aus den Fingern und reichte ihn Arruf.
    »Wann erreichen wir die Mauer der alten Welt und Shaer O’Ghallun?« fragte Arruf dreist. Verwunderte Blicke trafen ihn. Die Nomaden warteten, bis ihr Stammesfürst antwortete.
    »Zuerst passieren wir die Springenden Quellen«, sagte er. »Dann sehen wir weiter.«
    »Daher also die Feuchtigkeit in der Luft.«
    »Das ist der Grund. Zu Mittag werdet ihr das Wasser gurgeln, zischen und rauschen hören. Dort suchen die Nomaden den Wahrspruch Illanens.«
    »Du mußt mir über die Quellen berichten«, sagte Arruf, hob den Becher und tat den Nomaden Bescheid. »Illanen? Das ist ein Name aus Gorgan! Wenigstens klingt er so.«
    »Er war ein Alptraumritter. Nachdem er ertrank«, sagte Elejid und richtete sich auf, als sei er ein Barde und berichte die tückenreichen Taten seines Vaters, »teilte sich der Boden. Aus dem Quellsee wurden hundert und mehr Fontänen. Aus hundert Öffnungen schossen riesige, dünne und dicke Wassersäulen. Sie kommen und verschwinden in unergründlichem Muster, einmal so hoch wie der Mond, meist weniger hoch, auf und nieder, tanzend und unberechenbar. Der Geist Illanens ist in ihnen. Wir bringen ihm Opfer. Und auch die Wahrheit wird dort zu Tage treten.«
    Arruf, der allen Grund hatte, an Dämonen und ihr verdammtes Wirken zu glauben, nahm die Erzählung schweigend zur Kenntnis und fragte:
    »Die Wahrheit?«
    »Seit Urzeiten prüft Illanens Wahrspruch Schuld oder Unschuld. Wer das Gebiet der Quellen durchquert und das Rennen überlebt, ist unschuldig.«
    Ein Nomade erzählte einige weitere Einzelheiten:
    Nur diejenigen Wassersäulen, die ständig sprudelten, waren berechenbar. Alle anderen verbargen sich unter einer dicken Schicht dunklen Sandes, der aus dem feuerspeienden Schlund der Erde stammte. Hörte die Fontäne auf, in die Luft zu sprudeln, schloss sich der Sand wieder über dem »Maul der Erde«. Die Schuldigen landeten mit zerschmetterten Gliedern auf den Steinbrocken, die von dem Wasser umhergeschleudert wurden wie Geschosse. Arruf senkte den Kopf und sagte:
    »Es ist dies offensichtlich ein Platz von großer Bedeutung. Dort liegt das nächste Ziel der Elejider?«
    »Genauso ist es«, bekräftigte Elejid und goß Anrufs Becher wieder voll. »Die Mauer der Alten Welt liegt jenseits der Quellen?«
    »Und nur wenige Auserwählte erreichen sie«, entgegnete der Stammesführer ernst. Uinaho hatte jedes Wort verstanden. Der Wein begann bitter zu schmecken; Arruf dachte daran, daß es sein letzter Becher sein konnte.
    »Wie darf ich das verstehen?« fragte er verwundert und trank.
    »Niemand soll den rätselvollen Geschehnissen auf den verschlungenen Pfaden der Nomaden vorgreifen«, wich der Häuptlich aus. Arruf hob fragend die Schultern und stapfte, als er keine Antwort mehr bekam, mit dem halbvollen Becher zurück zu Uinaho. Der Ay trank den Becher gierig leer.
    Die großen Mäntel und ein Strom wärmet Luft, der von der Glut des erloschenen Feuers heranwehte, machten diese Nacht erträglich. Die Feuchtigkeit klebte Arrufs dunkelgefärbtes Haar zusammen, und er konnte

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