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An den Springquellen

An den Springquellen

Titel: An den Springquellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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erinnerte.
    »Der Geist Illanens wohnt in den Springenden Quellen!« dröhnte die Stimme des Stammesanführers auf und ließ die beiden Männer frösteln. Sie waren halbnackt. Das Leder ihrer Gürtel und die Stiefel war naß von dem herangewehten Wassernebel. Bis zu der hoch aufragenden, dunkelschneeweiß gestreiften Felsnadel betrug die Entfernung mehr als eineinhalbtausend große Schritte.
    »Mach ein Ende, Elejid!« hetzte Arruf. »Wir sind nicht hier, um deine hochtrabenden Reden zu hören!«
    Dem Stammesfürsten verschlug es die Sprache, während Maldra laut aufschluchzte. Auch sie war einiger ihrer Kleidungsstücke beraubt worden. Sie trug feuchte Hosen, die sich an ihre Schenkel schmiegten, ein langes Hemd, das mit einer schmutzigen Kordel um ihre Hüften befestigt war. Auch ihre Handgelenke waren im Rücken zusammengebunden worden.
    Sie warf den Kopf hin und her. Selbst ihr prachtvolles Haar war feucht geworden und klebte an ihrem hellen Nacken. Sie fürchtete sich bis auf den Tod.
    Uinaho, der die Gefahren gesehen hatte und inzwischen gut abzuschätzen vermochte, sagte in wahrhaft rauhem Trost:
    »He, Schwester! Höre auf zu zittern! Wenn wir die Felsensäule erreichen, wirst du dich leidenschaftlich in meinen starken Armen winden!«
    Maldra verstand, was er sagte, aber sie begriff es nicht. Sie zitterte am ganzen Körper. Je mehr Schauer aus Wassertropfen der Wind herbeitrug, desto enger klebte der dünne Stoff an ihrem Körper. Elejid deutete mit dem gezogenen Krummschwert nach rechts und links und schrie befehlend:
    »Bogenschützen! Schwärmt aus! Laßt sie nicht entkommen, wenn sie seitwärts ausbrechen wollen.«
    »Die fleischgewordene Großzügigkeit«, rief Arruf. »Was geschieht eigentlich, wenn wir naß und unversehrt zurückkommen?«
    »Dann seid ihr unschuldig und angesehene Mitglieder der Elejider-Nomaden!« schrie der Stammesanführer. »Deswegen…«
    Er zeigte auf die beiden kleinen Haufen. Dort lagen, jenseits der Fläche, die von dem hochgeschleuderten Wasser genäßt wurde, die Waffen und die Kleidung von Uinaho und Arruf. Die Nomaden besaßen wahrlich einen reichlich verworrenen Ehrenkodex.
    »Wie schön«, bemerkte Arruf und hielt Ausschau nach einem riesigen, daherrasenden Yarl, von dessen Schlackenzinnen die Krieger starrten. Nichts und niemand waren zu sehen!
    »Löst ihnen die Fesseln!« rief Elejid.
    »Wenn ihr den gestreiften Felsen berührt, seid ihr gerettet. Dann werden wir euch zu Shaer O’Ghallun bringen und ihm schildern, welche Heldentaten ihr vollbracht habt.«
    Zwei Nomaden näherten sich. Sie trennten die dünnen Lederriemen durch, die Maldra, Arruf und Uinaho fesselten. Je fünf oder mehr Bogenschützen rannten nach beiden Richtungen auseinander. Sie würden verhindern, daß die drei »Prüflinge« nach rechts oder links zu fliehen versuchten.
    Die Nomaden des fremden, unbekannten Stammes sahen mit offenen Mündern aus großer Ferne schweigend zu und warteten.
    Elejid schrie auf.
    »Treibt sie in die Springenden Quellen!«
    Etwa hundert Nomaden stießen schrille, trillernde Schreie aus. Hinter den drei Gefangenen fuhr mit häßlichen Geräuschen Pfeile in den nassen Sand. Arruf und Uinaho warfen sich einen kurzen Blick der Verständigung zu, dann packten sie Maldra bei den Händen und rannten los.
    Zuerst langsam. Sie hatten sich die Stellen gemerkt, an denen – rund hundert Schritte weit und geradeaus – die heulenden und brausenden Fontänen der Quellen aus dem Sand hervorbrachen, der sich plötzlich teilte und dunkle, mundartig gespitzte Löcher zu erkennen gab.
    Vor ihnen tobte urplötzlich eine Wassersäule in die Höhe. Sie wichen nach links aus und rannten auf einen kantigen Stein zu, der mitten in der Fläche aus schwarzem Sand lag. Noch zehn Schritte. Sie begannen zu laufen. Auf ihre Köpfe und Schultern prasselte warmer Regen mit schmerzhafter Gewalt herunter. Rechts hinter dem Stein war eine Stelle, an der sich der Boden öffnete. Mit riesigen Sätzen sprangen sie darüber, und kaum hatten sie drei, vier Mannslängen Weges zurückgelegt, kreischte rechts hinter ihnen eine neue Fontäne in die Luft.
    Sie waren waffenlos und halbnackt. Waffen halfen nicht gegen die Urgewalt des Wassers, das von dämonischen Kräften aus dem Boden hervorgedrückt wurde. Hinter ihnen, rechts und links von ihnen entstanden heulende, fauchende, zischende und brodelnde Säulen aus blasendurchsetztem Wasser. Für die drei Menschen, die um ihr Leben rannten, erschienen sie hart wie

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