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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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sie ein Gespenst mit einer weißen Haube sehen. Sie verwarf den Gedanken, sich lesend auf die gepolsterte Bank zu setzen, während Frau Wellhorn litt.
    «Die Glasenuhr hat eben zur Morgenwache geschlagen», sagte sie betont munter. «Heute werden wir ins Delta fahren, und dann hat die schlimme Schaukelei ein Ende. Vielleicht legen wir ja sogar an einem der schwimmenden Indianerdörfer an. ‹Palafitos› heißen die Pfahlbauten, und weil sie die Entdecker Amerigo Vespucci und Alonso de Ojeda an Venedig erinnerten, nannten sie das Land Klein-Venedig. So kam Venezuela zu seinem Namen, wussten Sie das?» Frau Wellhorn knurrte nur. «Andererseits berichtet Martín Fernández de Enciso, der mit Vespucci segelte, dass man Einheimische Veneciuela nannte, weil sie auf einem flachen Felsen hausten. Stellen Sie sich vor …»
    «Ich bin Ihnen für den Versuch einer Ablenkung dankbar, aber mir könnten nur ein Stück trockenes Brot und ein Schluck Wasser helfen.»
    Janna schlüpfte aus der Koje in ihre Pantoffeln und wollte nach der Türklinke greifen.
    «Wollen Sie etwa mit nichts als Ihrer Chemise bekleidet auf den Gang gehen?»
    Es war nicht zu erwarten, dass ihr jemand auf dem kurzen Weg in die Kombüse begegnete, dennoch nahm Janna ihr Cape vom Haken und warf es sich über die Schultern.
    «Ich danke Ihnen», seufzte Frau Wellhorn zum Gottserbarmen. Janna rollte die Augen. Sie nahm den Blechnapf entgegen, öffnete die schmale Tür und huschte auf den stockdunklen Gang hinaus. Der kräftige Seegang ließ sie von einer Wand zur anderen taumeln. Fast hätte sie sich das Knie am Treppengeländer des Niedergangs gestoßen. Überall knarrte und knackte das Holz des Schiffsrumpfs, und das Wasser fuhr dumpf rauschend an den Bordwänden entlang. Weiter vorne klapperte die Tür der Kombüse. Janna kam an der Kabine des Schiffsarztes vorbei, der sie sich mit Reinmar teilte. Sie lauschte. Das Schnarchen, das Tote aufwecken konnte, kam aus der Kehle des Arztes. Das Würgen jedoch … Reinmar litt auch? Janna überlegte, ob sie es wagen konnte, die Kabine der Mannsleute zu betreten. Sie trug ja das Cape, also schlich sie hinein zu Reinmars Koje und schob sein Leetuch ein Stück beiseite.
    «Janna! Was machen Sie denn hier?» Seine angestrengte Stimme verriet, dass er mit sich kämpfte.
    Sie setzte ihren allerunschuldigsten Gesichtsausdruck auf. «Auf hoher See und in der Liebe ist alles erlaubt, hat Napoleon gesagt.»
    «Ich glaube, er sagte, im Krieg und vor Gericht sind wir in Gottes Hand. Falls es nicht doch ein alter Römer war. Meine Liebe, an Land werden Sie wohl wie ein echter Seemann schwankend gehen, so sehr, wie Sie sich an den Wellengang gewöhnt haben. Ich stattdessen werde … Ah, wo ist der Eimer?»
    Rasch tastete sie nach dem Blecheimer und hielt ihn hoch. Doch nach einer Weile ließ sich Reinmar wieder zurück auf die Matratze sinken. «Falscher Alarm. Wie geht es Frau Wellhorn?»
    «Sie hält den Eimer im Arm wie einen Säugling.»
    «Dass es der alten Fregatte nicht besser geht, ist ein kleiner Trost.»
    «Wie können Sie so reden!», tadelte sie ihn und konnte sich das Lachen kaum verbeißen. «Ich hole ihr zu trinken. Möchten Sie auch etwas?»
    «Janna! Sie sollten nicht allein herumlaufen. Sie könnten fallen und sich den Kopf stoßen. Da! Hören Sie das?» Ein Brausen erhob sich und ließ die Segel knallen. Schritte erklangen an Deck; eine Glocke ertönte, dann Rufe. «Da kriegen wir anscheinend kurz vor dem Ende noch einmal richtig schlechtes Wetter. Dabei finde ich es schon ausreichend schlecht. Gehen Sie zurück in Ihre Kabine, bitte.»
    Irgendein ärztliches Instrument fiel klirrend zu Boden. Hinter ihr fluchte der Arzt, als er in sein Leetuch geschleudert wurde, und schnarchte sofort weiter. Himmel, das Schiff schwankte ja immer schlimmer! Auch die Rufe der Matrosen wurden lauter und drängender. Gott im Himmel, was kam da auf sie zu? Zu dem Klappern der Kombüsentür hatten sich alle möglichen Geräusche gesellt. Reinmar schwang sich aus der Koje, schlüpfte rasch in seinen chinesischen Seidenschlafrock und legte den Arm um ihre Taille. Sie verzichtete auf den Hinweis, dass er besser liegen blieb, denn ihren Protest würde er ohnehin nicht beachten. Er führte sie zu dem auf dem Gang befestigten Wasserfass. Sie hob den Deckel, tauchte den Blechnapf hinein und nahm einen tiefen Schluck. Es schmeckte abgestanden und fischig. Nun, auch das schlechte Wasser wäre bald nur noch eine Erinnerung … Sie

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