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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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gestoßen wurde, in dem bereits mehrere Briefe an den Vater lagerten. Um die würde sie sich später kümmern. Frau Wellhorns Geschrei, dass sie sich endlich sichern möge, brachte ihre Gedanken nurmehr durcheinander. Schließlich saß sie in der Koje, die Füße gegen das Leetuch gestemmt und die Sicherungsseile um die Taille geknotet, so, wie man es ihr zu Anfang der Reise erklärt hatte. Den Koffer schob sie sich unter die Beine. Sie wünschte sich, Reinmar säße neben ihr. All das war so unwirklich! Es war doch erst ein paar Stunden her, dass sie sich auf das Ende der Fahrt gefreut hatte. Und jetzt sollte sie plötzlich untergehen? Tünkram!

    Ihrem Gefühl nach musste längst der Morgen angebrochen sein. Das Schiff wollte nicht aufhören, sich zur einen, dann zur anderen Seite zu neigen, und das so stark, dass sie alle Kraft aufbringen musste, sich in der Koje zu halten. Schuhe, Decken und Blechnäpfe purzelten umher. Auch der Eimer, dessen Inhalt dafür sorgte, dass die Luft noch schwerer zu atmen war. Frau Wellhorn würgte, betete und würgte. Auch Janna hatte sämtliche Gebete bereits mehrfach aufgesagt. Doch ihre Gedanken waren bei Reinmar und dem, was er jetzt wohl tat. Bei den armen Matrosen, die ihr Leben wagten, um das Schiff nicht der Gewalt des Ozeans zu überlassen – und es auch verloren, wie der mehrmalige Ruf «Mann über Bord» verriet. Bei Pizarro und …
    Frau Wellhorns Entsetzensschrei kam beinahe früher als das Bersten. Das ganze Schiff schien wie von einer gewaltigen Faust getroffen. Janna glaubte, ihre Muskeln und Sehnen wurden von den Knochen geschüttelt. Die Wände der Kabine bogen sich leicht. Oder war das nur eine optische Täuschung?
    Ein dünner Wasserstrahl schoss durch die Schiffswand.
    «Bei Gott», stieß Frau Wellhorn hervor.
    Als die Kabinentür aufflog, schrie auch Janna. Im Schein einer Petroleumlampe, die Reinmar hochhielt, sah sie sein besorgtes Gesicht. Er trug nur ein offenes Hemd, das er sich in den Bund seiner Pantalons gestopft hatte.
    «Janna …»
    Mit fliegenden Fingern löste sie die Seile, sprang von der Koje und warf sich in seinen freien Arm. Er hielt sie auf Abstand.
    «Sie müssen an Deck», ordnete er mit bewundernswerter Ruhe an.
    «Gehen wir unter?», fragte Frau Wellhorn mit Grabesstimme.
    «Das wissen wir noch nicht. Der Orkan hat nachgelassen. Unser Schiff hat den Sturm auch ganz gut überstanden, die Amsinck jedoch weniger. Sie hat ihren Fockmast verloren, ist vom Kurs abgekommen und hat uns gerammt. Die Rettungsboote werden gerade klargemacht. Nehmen Sie alles, was Sie in einer Hand tragen können, und dann gehen Sie aufs Oberdeck. Keine Angst, es hört sich alles schlimmer an, als es ist.»
    «Wie könnte es denn bitte schön noch schlimmer sein?» Frau Wellhorn warf ihm einen bösen Blick zu, als sie sich an ihm vorbeischob, als sei er für das Unglück verantwortlich.
    Er wartete, bis Janna ihr Köfferchen unter den Arm geklemmt hatte. Sie ergriff seine Hand und lief auf den Gang, auf dem es nach dem stank, was eigentlich in die Latrine gehörte. Am Niedergang warteten zwei durchnässte Matrosen, um ihr beim Aufsteigen zu helfen. Als Janna durch die Luke an Deck trat, überraschte sie der helle Himmel. Der Sturm hatte sich wahrhaftig verzogen. Aber die See war noch rau, sehr rau, und sie musste sich von Reinmar, der den Arm um ihre Schultern gelegt hatte, über das schwankende Deck helfen lassen.
    «Sehen Sie?», rief er gegen das Brausen des Windes an. «Dort drüben ist die Küste.»
    Zunächst sah Janna nur erschreckendes Chaos. Scheinbar ohne jede Ordnung rannten die barfüßigen Matrosen über die Planken, zerrten an den Schoten, holten zerrissene Segel ein, drehten die beiden Pinassen und die kleine Jolle aus ihrem Gerüst auf dem Vorschiff und wuchteten sie zu den Lastkränen. Inmitten der geschäftigen Männer marschierte Kapitän Vesterbrock hin und her und brüllte Befehle, ebenso Drohungen, die Männer zur Hölle fahren zu lassen, falls sie nicht flink genug gehorchten. Als er Janna sah, tippte er sich an den Zweispitz. Der Wind verwandelte seinen Bart in ein lebendiges Wesen.
    «Gewähren Sie mir für diese Unannehmlichkeit Pardon, Fräulein Sievers?»
    Sie legte eine Hand auf die Brust. «Gewährt», sagte sie leichthin, obwohl ihr nach Weinen zumute war. Die Schiffe boten einen fürchterlichen Anblick. Die Seute Deern schien stabil, abgesehen von ihrer Schieflage, doch Masten und Takelage der Amsinck , die mit der größeren Bark

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