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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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wahrscheinlicher war, dass Romina sich einen Spaß mit ihr erlaubt hatte.
    Und woher wusste sie dann von der Tätowierung?
    Nein, er war tot. Sie hatte ihn sterben sehen.

    Als sie völlig erschöpft, mit einer wankenden Lucila im Arm, die Umfassungsmauer von La Jirara erreichte, war sie tausendmal zu dem Schluss gekommen, dass er tot war. Nur um sich einige Sekunden später wieder zaghaft zu gestatten, die Möglichkeit des Gegenteils in Erwägung zu ziehen. Sie wusste noch, dass sie das Geschrei und Gedrängel der Menschenmenge verwirrt hatten, und die Sicht auf den Delinquenten vor der Mauer war schlecht gewesen. Sie hatte ihn nur für den Bruchteil eines Herzschlags gesehen. Wenn es nun ein anderer gewesen war? Dennoch wagte sie nicht, es wirklich und wahrhaftig zu hoffen. Wenn die Hoffnung endgültig zerstob, weil sich herausstellte, dass jener Arturo, von dem Romina gesprochen hatte, nicht der richtige war, wäre das bösartige Tier des Schmerzes wieder frei. Jetzt steckte es noch in seinem Käfig. Wenngleich es ständig daran rüttelte und sie erinnerte, wie quälend ihr Verlust war.
    Arm in Arm wankten sie durch das Tor und über den von Schuttbergen vollgestopften Hof. Janna schaffte es noch, den herumliegenden Steinen und Brettern auszuweichen, doch die Stufen der Veranda stellten eine nicht mehr zu bewältigende Hürde dar. Gemeinsam mit Lucila sackte sie zu Boden. Die kurzen Schatten verrieten, dass Mittagszeit war; Stunden waren sie gelaufen, und Jannas Zunge fühlte sich dick und trocken an, so trocken wie ihre rissigen Lippen.
    «Lucila, glaubst du … du schaffst es … zur Tür und … anzuklopfen?», schnaufte sie schwer atmend. «Ich … kann nicht mehr.»
    «Ich versuch’s.» Das Mädchen rappelte sich hoch und wankte, vielmehr kroch, zur Tür und reckte sich nach dem Messingschlegel. Das Klopfen klang unnatürlich laut. Janna versuchte nicht daran zu denken, welch einen Eindruck sie auf Reinmar machen würde, sobald er herauskäme. Sie konnte sich nicht einmal mehr besinnen, wie und unter welchen Umständen sie ihn verlassen hatte. Allein dass Entrerríos und seine kämpferische Schwester sie in der Stadt aufgelesen hatten, ja, daran erinnerte sie sich; doch selbst dafür musste sie sich große Mühe geben. Beide lagen irgendwo dort draußen in der Wildnis in ihrem Blut – das Entsetzen über das grausame Ende der beiden Menschen, die ihr immerhin geholfen hatten, hatte sich zu einem eiseskalten Klumpen in ihrem Magen geballt.
    Ihr Wunsch, Reinmar möge gar nicht erscheinen, wurde erfüllt. Niemand öffnete die Tür; nichts rührte sich im Innern. Das Zirpen der Grillen in der Mittagshitze vermittelte ihr den Eindruck einer seit Jahrzehnten verlassenen Hazienda. Aber es war Siesta, wahrscheinlich schlief er. Ebenso Frau Wellhorn und David.
    Hinter ihr schluchzte Lucila. Janna kroch an ihre Seite und strich ihr über die Schulter. Das schlichte graue Kleid war dreckig und voller Laub und Dornen. In Schoßhöhe klebten ein paar dunkle Flecken. «Wir müssen in die Stadt, Lucila», sagte sie schleppend. «Du solltest besser zu einem Arzt …»
    «Was soll der machen?», schnaubte das Mädchen trotzig.
    «Hier können wir sowieso nicht bleiben. Es ist zu gefährlich.»
    «Ich steige durch ein Fenster.»
    «Nein, du kommst mit.» Janna stemmte sich hoch und zog sie mit sich zum Brunnen. Der Wassereimer, den sie heraufzog, kam ihr doppelt so schwer vor wie sonst. Sie schob ihn auf dem Rand zu Lucila hin, und gemeinsam löschten sie mit den hohlen Händen ihren Durst und bespritzten sich die staubigen Gesichter. Dann zog Janna das Mädchen mit sich zum Stall. Ein zweites Mal würde sie sich ein Pferd nehmen müssen. Dieses Mal aus purer Not. Sie strich über das dichte, leicht gewellte Fell der Criollostute und die dicke Mähne.
    «Lucila, meinst du, dass du rittlings sitzen kannst?» In Anbetracht der Umstände war dies eine peinliche Frage, aber sie musste ja gestellt werden. «Lucila?»
    Das Mädchen stand an die Wand gepresst, mit hängenden Schultern, den Blick auf die Schuhspitzen gerichtet. Janna hatte nicht gehört, dass Reinmar hereingekommen war, doch nun stand er am Eingang der Box, ein Gewehr in den Händen.
    «Was soll das, Janna?»
    Der Schreck ging ihr durch Mark und Bein. «Ich will mit Lucila in die Stadt reiten.»
    Sein verschleierter Blick erinnerte sie an ihr letztes unangenehmes Beisammensein: an sein Geständnis, Geld beim Glücksspiel verloren zu haben. Und dass er sie

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