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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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warst vom Pferd gefallen …» Die Finger mit den blutigen Nägeln zogen einen schmalen Dolch aus dem Schaft. «Mein Bruder hat dich dann fortgebracht.»
    «Hast du nicht gehört, catira ?»
    Fieberhaft überlegte Janna, wovon sie sprach. Es wollte ihr nicht einfallen; ihr Kopf fühlte sich an wie mit einem scharfen Messer ausgehöhlt. «Ja, jetzt erinnere ich mich.» An jenem Tag hatte sie verzweifelt und wie von Sinnen wieder und wieder Arturos Namen gerufen. «Arturo.»
    «Ja. Arturo.» Von ihrem Rücken beschirmt, umschloss Rominas Faust den Messergriff. Ihre Augen glänzten vor fiebriger Kampfeslust. Hätte sie die Waffe doch früher ziehen können , ging es Janna durch den Kopf. Der Tod wäre ihr nicht erspart geblieben, wohl aber das andere  … «Einer der Gefangenen soll so heißen. Ein großgewachsener Pardo mit der Maria Lionza auf dem Arm. Ist er’s?»
    Janna starrte sie nur an. Aber irgendetwas musste ihr Staunen wohl aussagen, denn Romina zeigte wieder ihr vertrautes arrogantes Lächeln.
    «Also doch. Wie kommt’s, dass die feine Dame so einen liebt?»
    «Woher wissen Sie, dass ich ihn geliebt habe?»
    «So, wie du geschrien hast …»
    Nun war der Mann so nahe, dass er die Hand nach Romina ausstrecken konnte. Janna stob im Hochspringen herum und rannte, das Kleid bis über die Knie gerafft. Ihre Stiefeletten trommelten über den Boden; die Gräser kratzten über ihre Unterschenkel. Ihre Criollostute war nicht da. Sie hörte den Spanier röcheln und die anderen überrascht aufschreien. Über den brodelnden Tumult hinweg erklang Rominas gellender und dann schlagartig absterbender Schrei.
    Nicht die Angst ließ Janna über die Grasflur fliegen. Allein das Entsetzen. Was vor ihr lag, nahm sie kaum wahr. Obwohl sie sich nicht umwandte, sah sie doch nichts anderes als den dürren, entblößten Leib der Llanera vor sich, durchgeschüttelt von entfesselter Männerkraft. Wind und Sonne prallten auf ihr Gesicht; ihre gelösten Haare flatterten, ihre Brust pumpte schmerzhaft. Ein Ruf drang zu ihr durch. Der wimmernde Ruf eines klagenden Kätzchens. Sie blieb stehen, versuchte durch ihr Schnaufen zu hören, von wo er kam.
    «Hier bin ich, Doña Janna!»
    Ringsum nur hohe, blühende Gräser, satt von der Feuchtigkeit der Regenzeit. Handtellergroße Schmetterlinge flirrten wie Fetzen von verwehten Spitzentaschentüchern. Grillen machten einen Heidenlärm, sodass Janna vergebens lauschte. Doch dann sah sie im Gras eine schwarze Gestalt.
    «Nein, du nicht auch noch!» Janna ließ sich neben Lucila auf die Knie fallen. Das Mädchen sah unverändert aus, doch in dem jungen, breiten Gesicht stand nur zu deutlich geschrieben, welche Qualen das Mädchen hatte erleiden müssen …
    «Nein, das war ja heute Nacht schon.» Lucila hob sich auf einen Ellbogen. «Es war einer der Llaneros. Ich wollte danach zurück zur Hazienda. Aber … es tut so weh.»
    So also endete der Traum vom Rebellendasein. Egal, ob Spanier oder Llanero oder sonst irgendein Mann; man sollte als Frau nicht in der Nähe sein, wenn der Krieg oder was es sonst sein mochte sämtliche Hemmungen niederriss. «Komm, steh auf. Wir müssen hier weg.»
    Sie half dem Hausmädchen auf die Füße. Lucilas Ebenholzgesicht war verklebt; nicht von Blut, aber von vielen vergossenen Tränen. Ein Schuh fehlte ihr, und sie trat breitbeinig auf – sie würden ewig brauchen, um La Jirara zu erreichen. In welcher Richtung lag die Hazienda überhaupt? Janna blinzelte in die Sonne. Irgendetwas musste sie doch in ihrer Zeit auf dem Fluss gelernt haben, und wenn es nur war, die Himmelsrichtung zu bestimmen, verdammt! Wie auch immer; sie würden ewig brauchen. Viel Zeit, um wieder und wieder Rominas blutiges, gequältes, zu allem entschlossenes Gesicht zu sehen. Ihren letzten Schrei zu hören. Und über ihre Worte nachzudenken.
    Arturo lebte.
    ***
    Janna mochte es nicht glauben. Sie hatte ihn sterben sehen. Und er war gewiss nicht der Einzige, der diesen Namen trug.
    Aber vermutlich gab es weit und breit keinen zweiten Arturo mit einem eintätowierten Maria-Lionza-Bild.
    Er hat einen Kakao umgebracht .
    Was sollte das heißen? Gouverneur de Uriarte hatte von einem Mantuano gesprochen.
    Hätte sie sich dazu herabgelassen, Rominas Frage nach dem Namen jenes Mannes zu beantworten, den sie liebte, wüsste sie die Antwort. Aber sie hatte ja weggehen müssen, weil die Neugier der Frau sie empört hatte. Nun, sie musste die Antwort nicht wissen. Weil Arturo tot war. Weil es

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